: „Privatisierung ist für uns kein Selbstzweck“
Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann will Beteiligungen des Landes an Unternehmen künftig abbauen. Das einschneidende Haushaltsurteil des Landesverfassungsgericht ist ihm Ansporn, den Haushalt vernünftig zu sanieren
taz: Herr Ratzmann, haben Sie in den vergangenen Wochen Kreide gefressen?
Volker Ratzmann: Ist nicht mein Geschmack. Und schon gar nicht ohne Grund.Warum?
Weil Sie sich beim Thema Privatisierung von Landesbetrieben so weit vorgelehnt hatten. Im Vergleich dazu wirkt der von Ihnen mitgetragene Antrag zum Parteitag der Grünen weich gespült.
Wieso weich gespült? Unsere Position war immer klar, und sie ist es weiterhin. Voraussetzung für den Erfolg jeder Sanierungsstrategie ist die Entschärfung der finanziellen Risiken, die in der Beteiligung des Landes an über 250 Gesellschaften liegt. So deutlich wie wir sagt das keine Berliner Partei und schon gar nicht die SPD. Die will diese Milliardengräber weiter behalten. Das kostet Kitaplätze, frisst Geld, das wir für Bildung, Soziales und die Hochschulen brauchen.
Im August stellten Sie noch ein Papier vor, das eine drastische Reduzierung der Landesbeteiligungen forderte. Der jetzige Antrag entschuldigt sich quasi erst mal dafür, überhaupt an Privatisierung zu denken, bevor die Vorschläge folgen.
Die Reduzierung wollen wir weiterhin. Dienstleistungen und Daseinsvorsorge können außerhalb staatlicher Organisationsformen erbracht werden, wenn die Infrastruktur nicht aus der Hand gegeben wird und die politische Steuerung stimmt. Privatisierung ist für uns kein Selbstzweck wie für die FDP. Uns geht es um Qualität der Leistungen, um Kontrollierbarkeit, um transparente Ausschreibungs- und Entscheidungsverfahren. Das funktioniert in Berlin mit den vorhandenen Strukturen überhaupt nicht, wie Herr Strieders (SPD-Bausenator, d. Red.) Mauscheleien in Sachen Tempodrom gerade wieder gezeigt haben.
Zum Vivantes-Klinikkonzern heißt es im Antrag: Über seine Zukunft wird 2006 nach Ende der Restrukturierungsphase entschieden. Für Sie war schon im August klar, das Land müsse langfristig „kontrolliert raus“. Wieso tragen Sie das für den Parteitag nicht ebenso klar und deutlich vor?
Nochmal, unsere Position ist eindeutig: Weder ich noch jemand anders hat je gefordert, das jetzt staatliche VEB-Kombinat Vivantes in ein privates zu verwandeln. Wer öffentliche durch private Monopole ersetzt, hat nichts gewonnen. Unser Ziel sind Unternehmen, die Qualität sichern und unter den EU-Bedingungen des kontrollierten Wettbewerb möglichst ohne staatliche Beteiligung bestehen können. Das geht nicht von heute auf morgen; deshalb erst die Restrukturierung. Warum sollen Teile des Konzerns nicht im Rahmen von Konzessionen von Kirchen, Non-Profit-Organisationen oder gemeinnützigen GmbHs betrieben werden? Das funktioniert doch in anderen Bereichen und in anderen Ländern auch.
Sie rechtfertigen Privatisierung damit, dass sie das Land von Verlustbringern befreit. Gehen Sie davon aus, dass das Noch-mehr-sparen-Urteil des Verfassungsgerichts Ihnen dabei beim Parteitag hilft?
Sie meinen das „Fangt endlich an, vernünftig zu sanieren“-Urteil? Eindeutig ja! Es geht in dem Urteil darum, unter welchen Bedingungen es erlaubt ist, finanzielle Belastungen durch gegenwärtige Kreditaufnahmen auf zukünftige Generationen abzuwälzen. Eigentlich braucht man kein Urteil des Verfassungsgerichts, um zu erkennen, dass das nur geht, wenn wir die verlustreichen sozialdemokratischen Spielwiesen namens Landesbeteiligungen abbauen.
Interview: STEFAN ALBERTI