Parteivolk darf Unionskandidaten küren

Die CDU in Rheinland-Pfalz befragt ihre Mitglieder. Sie sollen den Spitzenkandidaten für die Landtagswahlim Frühjahr 2006 bestimmen. Dies könnte auch ein Modell für das benachbarte Baden-Württemberg sein

MAINZ taz ■ Was in Baden-Württemberg die Union noch beschließen muss, ist in Rheinland-Pfalz bereits in Gange: die Mitgliederbefragung. 56.000 Stimmzettel hat die Parteizentrale der CDU in Mainz an die Christdemokraten im Lande verschickt. Jetzt müssen die Parteimitglieder daheim ihr Kreuzchen machen: Entweder bei Christoph Böhr (50), dem amtierenden Landesvorsitzenden der Union, der auch der Landtagsfraktion seiner Partei vorsteht. Oder bei Peter Rauen (59), dem Bauunternehmer aus der Eifel, der für die CDU im Bundestag sitzt und dort versucht, sich als Gesundheitsexperte zu profilieren. Die beiden Politiker bewerben sich um die Spitzenkandidatur bei den Landtagswahlen im Frühjahr 2006.

Noch bis vor wenigen Wochen war Böhr davon ausgegangen, der alleinige Kandidat für den ersten Listenplatz und damit Herausforderer von Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) zu sein, der Rheinland-Pfalz von Mainz aus – zusammen mit der FDP – schon in der dritten Legislaturperiode regiert. Doch dann wandten sich einflussreiche Unionspolitiker rund um Peter Rauen gegen Böhr. Dem blassen Intellektuellen aus dem Bezirksverband Trier mangele es an Charisma, hieß es jetzt plötzlich. Und dass die Union mit Böhr gegen den beliebten Beck bei den nächsten Landtagswahlen wieder keine Chance auf Sieg habe.

Rauen und seine Mitstreiter nannten als Alternative die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen. Doch Eva Lohse (47) war überhaupt nicht bereit, auf dem Parteitag am 12. November eine Kampfkandidatur gegen Böhr anzutreten. So war Rauen der Blamierte; und Böhr triumphierte – wenn auch nur kurz.

Denn Mitte September gab Rauen bekannt, selbst gegen Böhr antreten zu wollen. Im Landesvorstand einigte man sich darauf, die beiden Bewerber zunächst auf Reisen zu schicken.

Auf insgesamt fünf Regionalkonferenzen in allen Ecken des Landes stellten sich Böhr und Rauen in den letzten Wochen dem Parteivolk vor. Den Beifallsbekundungen nach zu urteilen, hatte Böhr fast überall die Sympathien auf seiner Seite. Dass sich Böhr mit der lapidaren Feststellung: „Ich bin so, wie ich bin!“ zu sich selbst bekannte, wurde vom Parteivolk offenbar ebenso gewürdigt wie sein jahrzehntelanges Engagement für die Partei, das selbst Rauen als „aufopferungsvoll“ anerkennen und würdigen musste.

Viele Parteimitglieder konnten sich auch deshalb nur schwer erklären, welchen Sinn die Gegenkandidatur des fast zehn Jahre älteren Rauen und „das ganz Geeiere darum“ dann überhaupt noch mache, so ein erboster Christdemokrat auf der ersten Regionalkonferenz für Rheinhessen in Mainz. Schließlich passe zwischen die beiden Kandidaten „auch programmatisch kein Blatt Papier“. Ein anderer merkte verärgert an, dass nur wenige hundert Meter weiter in der Staatskanzlei „einer sitzt, der sich vor Lachen auf die Schenkel schlägt; und der heißt Beck“.

Mit dem Ergebnis der Mitgliederbefragung wird in der ersten Novemberwoche gerechnet. Gewinnt ein Kandidat mit Abstand, werden ihn die Delegierten auf dem Nominierungsparteitag wohl auch auf den Schild heben. Bei einem Patt oder einem nur knappen Vorsprung eines Bewerbers entscheidet der Landesparteitag hingegen allein.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT