Stark zitierwütig

„Nicht unbedingt die Großen der Zukunft“: Aktuelle Malerei der Sammlung Scharpff in der Kunsthalle

Die Maler-Klassiker mussten die Oberlichtsäle der Galerie der Gegenwart räumen. Sie machten Platz für 14 Positionen aktueller Malerei aus der Privatsammlung Scharpff, die nun den dritten Stock der Galerie der Gegenwart besetzen. Dabei sind die verschiedenen Ansätze der neuen Malerei je für sich genommen interessant, in der Häufung wirken sie in ihrer ungenierten Frische doch manchmal etwas zu laut und deklamatorisch, besonders in ihren zitierwütigen Retro-Aspekten.

Wenn Ausstellungskurator Christoph Heinrich im Katalog vor den Bildkisten von Michel Majerus mit Blick auf Andy Warhol von „Update“ spricht, so wäre dieses Computerwort auch gut auf die Funktion manch anderer dieser zusammengesampelten Bilder zu übertragen: Sie sind mitunter nur noch als Erinnerungsveranlasser zu gebrauchen. Das ist bei Neo Rauch mit den im Bildraum addierten Motiven und Gesten der 40er, 50er und 60er Jahre klare Absicht, erzeugt bei dem nicht umsonst so berühmten Leipziger aber eine eigene, alltagsmysteriöse neue Welt.

Kaum erkennbar jedoch ist, was die expressive Malerei des 1973 geborenen, in Berlin lebenden André Butzer mehr leisten kann, als die Farbräusche und Formbrüche der CoBrA-Maler ins Gedächtnis zu rufen. Hier bewirkt ein Sammler eindeutig, dass einem sekundären Werk zu früh die Museumswand eingeräumt wird. Doch solch ein Risiko gehen die Großsammler gerne ein. „Ich nehme nicht in Anspruch, dass Sie hier die Großen der Zukunft sehen. Aber ich möchte Zugang bieten zur Produktion der Zeitgenossen. Das will ich in die Museen bringen“, sagt Rudolf Scharpff. Er erzählt auch gern, dass die großen Bilder eben die besseren sind, dass die US-Amerikaner „ganz heiß“ auf figurative deutsche Malerei sind. „Da gibt es natürlich gewisse Vorteile, wenn man, wie wir, schon 40 Jahre sammelt.“

Die erst einmal privaten Entdeckungen kunstbegeisterter Sammler dürfen sehr subjektiv sein und können spezielle Kontexte herstellen. 1997 hatte das Ehepaar Scharpff ihre Sammlung amerikanischer Kunst der 80er und 90er Jahre (u. a. Robert Gober, Jeff Koons, Cady Noland) der Galerie der Gegenwart als Dauerleihgaben überlassen. Wird dann weiter aktuelle Malerei gesammelt, kann ein gewisses Pop-Element, wie beim jüngst erworbenen großen ornamentalen Blümchenbild der jungen, gerade auf der Biennale in Venedig im Brasilianischen Pavillon gezeigten Beatriz Milhazes kaum überraschen.

Oft lotet die aktuelle Malerei neu aus, was die verschiedenen Ansätze der Moderne nicht zu Ende gebracht haben könnten: Sarah Morris führt die geometrische Abstraktion weiter, Daniel Richter verbindet farbliche Delirien mit politischen Topoi, und der fast immer auf Reisen befindliche Franz Ackermann überträgt seine Erfahrungsräume in Farbgeographien, die über die Einzelbilder hinaus installativ die Wände erobern.

Bei Glenn Brown ist die pastose Geste selbst Thema des Malens und wird – ein malereihistorisches Vexierspiel – altmeisterlich in ganz glatter Oberfläche wiedergegeben. Der Londoner Künstler malt in anderen Arbeiten seiner eklektischen Welt auch Science Fiction-Bilder, die in unnötiger Konkurrenz zur Posterproduktion einer speziellen Fangemeinde stehen. Doch sein Andromeda Strain genannter Kloß aus Ölfarbe zeigt stellvertretend für das wieder einmal gefeierte Malereirevival, was dieses Traditionsmaterial der Künste immer noch sein kann: Der Urstoff ganzer (Bild-)Universen.

HAJO SCHIFF

Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Kunsthalle, Galerie der Gegenwart; bis 29.2.2004