Wider das Stigma handlungsunfähiger Objekte

Der filmische Blick auf Flüchtlinge ist oftmals gut gemeint, aber hilflos. Massimo Perinelli zeigt in einem Videovortrag im Ehrenfelder Ladengold Wege zu einem offensiven Perspektivenwechsel in der Darstellung von MigrantInnen

KÖLN taz ■ Seit den 90er Jahren wird der Kampf gegen Rassismus verstärkt auf dem Feld der Bilder ausgetragen. Dabei greifen die meisten antirassistischen Filme auf bekannte Elemente zurück: Flüchtlingskinder hinter Zäunen, heroische Retter aus der linken Szene und ein übermächtiger Staat bilden die typische Konstellation. Diesen gut gemeinten aber hilflos passiven Blick auf Opfer und Feinde hinterfragt Massimo Perinelli kritisch am 4. November im Ehrenfelder Ladengold. Der Historiker und Kanak-Attak-Aktivist kommentiert in einem Videovortrag zwanzig Filmbeiträge von unabhängigen Kollektiven, staatlichen Produktionen, aus der Popkultur und Fernsehmagazinen. Darüber hinaus zeigt er Wege zu einem offensiven Perspektivwechsel in der öffentlichen Darstellung von MigrantInnen auf.

Zur Veranstaltung „Antirassismus vorgespult“ lädt die Gesellschaft für Legalisierung (GfL) ein, die sich erstmals in Köln vorstellt. Ausgerufen von einem bundesweiten Bündnis aus Flüchtlingsinitiativen und feministischen Gruppen versteht sich die GfL als „Multitude“, die die Ebene klassischer Organisationen und deren Kampagnen überschreitet. Die offene Bewegung fordert ein „Recht auf Rechte“ für MigrantInnen. Dies betrifft nicht nur Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben. Die Entrechtung erstreckt sich vom Wahlrecht über die Arbeit bis zum verwehrten Recht auf Einlass in einen Club.

Auch wenn sich MigrantInnen diese Rechte teilweise schon täglich nehmen, dominiert in ihrer filmischen Repräsentation die Helferperspektive einer bevormundenden Mehrheitsgesellschaft. Über eine Skandalisierung der Lebensbedingungen in Abschiebeknästen und Flüchtlingslagern werden die Gefilmten oft als handlungsunfähige Objekte stigmatisiert oder beispielsweise durch Balken über der Augenpartie unfreiwillig kriminalisiert. Projekte, die auf bürgerliche Aufklärung setzen, verlegen zudem oft den Fokus von Machtfragen auf paternalistische Bekenntnisse, die die Betroffenen in die Defensive drängen.

Dagegen schlägt Perinelli vor, die Perspektive der MigrantInnen selbst einzunehmen: „ihre trickreichen Widerstandspraktiken im Alltag, ihr Witz und ihre Vorstellungen vom Glück“. Die Dokumentation „Dann lieber ins falsche Paradies“ von Imad Karim reflektiert die Widrigkeiten einer solchen Aneignung, ohne jedoch in lähmenden Frust umzuschlagen. Auch im Videoclip „Afrodeutsch“ des Schauspielers und Rappers Tyron Ricketts stecken Momente einer selbstbestimmten Strategie, eine sichtbare Position als Sprecher zu entwickeln.

Der Videovortrag richtet sich an Interessierte, Filmemacher und linke Aktivisten, die der Kritik aus den eigenen Reihen bisher skeptisch gegenüberstehen. Perinelli sieht darin eine Chance: „Miteinander in Diskussion zu treten, ist das Beste, was wir als Linke haben. Es geht darum, die lähmende Anordnung im Kampf gegen Rassismus zu sprengen, um darüber offensiv und stärker zu werden.“ Uh-Young Kim

Der Videovortrag „Antirassismus vorgespult“ findet am 4. November um 19 Uhr im Ladengold, Körnerstraße 48, statt. Weitere Informationen: www.rechtauflegalisierung.de