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Archiv-Artikel

Ex oriente Boom

Der Beitritt der neuen EU-Staaten im Osten lässt die hiesige Wirtschaft erblühen. Ausfuhren stiegen um knapp ein Viertel im ersten Halbjahr. Keine Angst mehr vor Freizügigkeit für Ost-Arbeitnehmer

VON PHILIPP GESSLER

Es gibt auch gute Nachrichten in der Wirtschaft der Hauptstadt: Der Beitritt der ost- und mitteleuropäischen Staaten zur EU am 1. Mai dieses Jahres hat hiesigen Unternehmen einen Boom beschert. Die Ausfuhren in die zehn neuen Mitgliedsstaaten sind nach Auskunft der „Wirtschaftsförderung Berlin International“ (WFBI) im ersten Halbjahr um 23 Prozent auf jetzt 215 Millionen Euro gestiegen. Die WFBI ist bei der Wirtschaftsverwaltung angesiedelt und bezeichnet sich als zentrales Informationsportal für die Wirtschaft der Hauptstadt.

Die Region Berlin-Brandenburg profitierte im bundesweiten Vergleich überproportional von dem erleichterten Marktzugang in den Osten, wie der WFBI-Geschäftsführer Roland Engels erklärte. „Berlin ist klarer Gewinner der EU-Erweiterung“, so Engels. „Die aktuellen Außenwirtschaftszahlen zeigen eine außerordentlich dynamische Entwicklung des Berliner Exports in den ersten Monaten nach der EU-Erweiterung. Dabei entwickelt sich der Export in die neuen EU-Mitgliedsländer besonders positiv.“

Insgesamt hätten die Ausfuhren aus Berlin in die Länder Mittel- und Osteuropas (einschließlich Russlands und Zentralasiens) um 32,4 Prozent zugenommen. Sie lägen damit gut 20 Prozentpunkte über den Ausfuhren von Berlin in die Welt insgesamt. Als unbegründet erweise sich zudem die Befürchtung, dass Berlin nach der EU-Erweiterung mit Billigwaren aus den neuen Mitgliedsländern überschwemmt werden könnte.

Obwohl sich die Wirtschaftskontakte in die neuen Länder schon seit zwei bis drei Jahren intensiviert hätten, habe der Beitritt der neuen Länder in die EU ein wichtiges Signal gesetzt, erläuterte Engels: „Das psychologische Moment spielt da eine große Rolle.“ Die mit den EU-Staaten vereinbarte Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf bis zu sieben Jahre werde wohl nicht nötig sein, unterstrich Engels. Ähnlich argumentierte eine Sprecherin der IHK Neubrandenburg: Die Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit zum Schutz deutscher Unternehmen vor östlicher Konkurrenz würden die „ohnehin schon bürokratischen Standortbedingungen in Deutschland“ noch mehr verkomplizieren, sagte Elke Petrow.

In einer ersten Reaktion sprach sich der Wirtschaftsexperte der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Volker Thiel, ebenfalls dafür aus, die Sperrfrist für die Freizügigkeit osteuropäischer Arbeitnehmer „möglichst zu verkürzen“. Auch der Ansicht der IHK Neubrandenburg „kann man nur beipflichten“. Die „vermeintlichen Schutzbestimmungen“ seien oft „äußerst fragwürdig“: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“, sagte Thiel.