piwik no script img

Archiv-Artikel

Alarm im Schanzenhof

Die Mieter des Montblanc-Areals zwischen Schanzen- und Bartelsstraße sind sauer: Der neue Eigentümer verlangt mehr Geld. Der Ärger der Betroffenen richtet sich nun vor allem gegen die Stadt

VON ROGER REPPLINGER

Dienstag kurz vor 19 Uhr in der Schanze. Kaum Platz auf dem Bürgersteig, jeder Zentimeter gastronomisch genutzt, man schiebt sich durchs Viertel. Die Menschen sehen aus, als seien zehn Jahre Winter zu Ende, und als ob sie Angst hätten, der nächste, der genauso lang dauert, stehe bereits vor der Tür.

Im Raum 401 der Volkshochschule treffen sich die Mieter des Schanzenhofs. Eine Liste wird geschrieben, auf der die vorhandenen Mängel festgehalten werden. Die Inhaber des Schanzenhofs, des ehemaligen Montblanc-Areals, sind Mario Stephan und Bent Jensen von der Schanze 75 GmbH. Sie haben das 1.983 Quadratmetern große Grundstück mit seinen 5.900 Quadratmetern Mietfläche für sieben Millionen Euro von der in Frankfurt ansässigen Deutschen Immobilien Chancen-Gruppe (DIC) gekauft. Die DIC wiederum hatte es, mit über 50 anderen Objekten, von der Stadt erworben.

Am Anfang sei von der Schanze 75 GmbH versucht worden, die Mieter gegeneinander auszuspielen, deshalb treffe man sich regelmäßig zur gegenseitigen Information, sagt Karin Weitzmann von Alchemilla, der einzigen selbst verwalteten Heilpraktikerinnen-Schule Deutschlands. Bei dem Treffen sitzt auch Hermann Oberth, einer der Geschäftsführer des Hotels „Schanzenstern“, der sich fragt, „warum die Stadt nicht an einen der Mieter des Schanzenhofs verkauft hat – vermutlich wollte man das nicht“.

Stephan und Jensen haben nun das getan, was Neueigentümer gerne tun: Sie haben die Miete erhöht. Da die meisten im Schanzenhof ansässigen Unternehmen keinen Gewinn erwirtschaften, trifft sie das besonders hart. Von denen, die Gewinn machen, ist heute Abend keiner da. Karin Weitzmann berichtet, dass der neue Eigentümer mit der Zielvorgabe „61 Prozent Nettomieterhöhung“ in die Verhandlungen mit Alchemilla eingestiegen ist. Auch die Miete der Beratungsstelle „Arbeit und Gesundheit“ soll steigen. Der Schanzenstern soll statt 7,35 Euro pro Quadratmeter nun 9,80 Euro bezahlen. Zunächst wuren außerdem jedes Jahr 80 Cent mehr Miete pro Quadratmeter verlangt – das ist nun vom Tisch. Aktuell wird über die Mieterhöhungen für die nächsten fünf Jahre verhandelt.

Serena Kahnert vom Atelier für Musik, Bewegung & Improvisation – seit 18 Jahren im Schanzenhof – sowie das Gesangsstudio Voxraum auf der gleichen Etage bekamen trotz Mieterhöhung keine Option auf eine Verlängerung ihrer Mietverhältnisse. „Die Verträge laufen noch zwei Jahre, dann kann der Eigentümer eine Miete verlangen, die wir nicht mehr bezahlen können“, sagt Kahnert. Die Schanze 75 GmbH will abwarten, „ob wir alle solvent bleiben, da einzelne Teile unserer Etage nicht vermietbar seien“, sagt Kahnert. Ihr wurde mitgeteilt, „dass wir nicht sofort gekündigt werden, weil sie uns gerne behalten wollen“. Gleichzeitig wurde gedroht, „dass 20 Mieter bereit wären, die Etage sofort zu übernehmen“.

Als einziger der Anwesenden muss Jens Meyer vom Kino 3001 keine Mieterhöhung fürchten. Juana Bienenfeld hatte als Filmreferentin der Kulturbehörde Hamburgsin Kooperation mit der Finanzbehörde, die damals im Auftrag der Stadt die für die Gebäude zuständige Sprinkenhof AG dazu gebracht, die Miete des Kinos bis 2016 an den Lebenshaltungsindex zu binden. „Frau Bienenfeld hat sich große Mühe gegeben, hat sich engagiert und es sehr gut gemacht“, sagt Meyer. Bienenfeld sah voraus, was jetzt eingetreten ist.

„Wir alle haben dazu beigetragen, dass die Kultur hier einzieht. Wir haben die Fixer ausgehalten, als das Viertel noch nicht hip war, die Entwicklung angestoßen, die nun dazu führt, dass die Schanze so attraktiv ist, dass die Stadt die Gebäude verkaufen konnte und wir nun die Mieten nicht mehr bezahlen können“, sagt Oberth. Die Stadt aber habe „sich aus der Verantwortung gezogen“. Und so richtet sich der Ärger der Mieter vom Schanzenhof nicht so sehr gegen die Schanze 75 GmbH, sondern hauptsächlich gegen die Stadt: „Die hat das Geld für den Verkauf kassiert“, sagt Oberth, „und wir müssen es jetzt ausbaden.“