ausgehen und rumstehen
: Ist ja nur Bier: Warum es auf Modeschauen, Verlagspartys und in neuen Kneipen nicht ohne geht

In einer Brigitte von 1966 habe ich neulich in einem Dean-Martin-Porträt ein paar bemerkenswerte Zitate gelesen. „Dean ist durch und durch Mann, sagt seine Frau, Frauen langweilen ihn zu Tode“, zum Beispiel. Oder: „Dass das Lesen nicht zu seinen Vergnügen gehört, steht fest. In all den Jahren, seit ich ihn kenne, sagt Regisseur Billy Wilder, hab ich ihn noch nicht mal eine Speisekarte lesen sehen.“ Oder: „Er braucht sich um nichts zu kümmern, Mutter macht das alles allein, sagt seine Tochter. Wenn er trotzdem mal erfährt, dass es irgendwo brennt, sagt er: Ach, das wird schon wieder werden.“ So ein Hallodri aber auch. Das habe ich allerdings immer schon geahnt, spätestens seit „Rio Bravo“, in dem er einen trockenen Alkoholiker spielt, und das Entzückende ist: Er trinkt während des ganzen Films ein Bier nach dem anderen, weil: „Ist ja nur Bier“!

„Ist ja nur Bier“ ist überhaupt ein Spitzenspruch und weit verbreitet. Ich hatte mal einen Hamburger Freund, der mir an verkaterten Morgen gegenübersitzen und fröhlich herausfahnen konnte: „Nee, ich habe gestern Abend nichts getrunken. Nur Bier!“ Wo Männer solche Wahrheiten immer aufschnappen! In alten Western? In diesem Sinne habe ich jedenfalls gestern Abend ebenfalls nichts getrunken. Darum geht es mir auch einigermaßen prima. Besser als letztes Wochenende. Da war ich zur alljährlichen Moet-&-Chandon-Modenshow geladen und durfte schräg hinter Udo Walz sitzen. Über Udo Walzens Fassonglatze hinweg konnte ich auf die Füße der Models gucken, und vor allem bei einem war das sehr nett: Das dünne Ding musste, wie die meisten, in zu kleinen, extrem hochhackigen Sandalen losstampfen, und darum zwinkerten die großen Onkel lustig heraus und krallten sich bei jedem Schritt an den glatten Boden. Udo schien das ganz egal, doch ich kicherte und kicherte, bis Udo sich umdrehte, mich aber nicht sah, denn ich bin mindestens genauso dünn wie die Models und außerdem war es dunkel im Zuschauerraum.

Aber das war letztes Wochenende. An diesem Wochenende war ich zuerst bei einer schauen Verlagsparty (nur Bier, also eigentlich nichts!), bei der modemäßig nicht besonders viel zu holen war: Bücherwürmer sind nicht so stilinteressiert. (Bis auf Elfriede Jelinek, und das wurde auch gleich gebührend honoriert.) Ansonsten sehen AutorInnen manchmal aus wie Luxuspenner, Zehlendorf-Gammler quasi, und LektorInnen haben die Stilfibel auch nicht gerade mit dem Morgenmilchshake aufgesogen. Machte mir natürlich nichts aus, ich blieb, bis die Würstchen ausgingen, und probierte dann die neue Kneipe am Spreewaldplatz aus, von der ich schöne Fotos im Stadtmagazin gesehen hab.

Die war schon eher etwas nach Deans und meinem Geschmack: ganz viel Spiritus, keine schwierigen Bücher und auch keine langweiligen Frauen, überhaupt keine nämlich. Nur ein einsamer Barbüffel in einem bedruckten T-Shirt, von dem ich im zwielichtigen Kneipenrot erst dachte, es sei von dieser Nazimodelinie, die Runen auf die T-Shirts druckt. Glücklicherweise war die Aufschrift aber doch nur ein komisches modernes Graffiti-Tag, und ich musste nicht groß Antifa raushängen lassen und den Barbüffel etwa aus der schicken Kneipe boxen. Am Tag danach, das war schon Samstag, traf ich morgens auf dem Weg zum Bäcker einen alten Freund, für den die Nacht noch nicht vorbei war: Er hatte durchgemacht und stand gemütlich Bier trinkend an einem kleinen Holztresen auf der Wiener Straße.

Mein alter Freund sah eigentlich noch recht fit aus und konnte sich perfekt artikulieren, besser als ich manchmal OHNE Suff. Und wo ziehst du jetzt noch hin, fragte er mich verständlich. Ich sang den alten Ärzte-Hit: Links rechts, links rechts, links rechts, links rechts, zum Bäcker!!!!! Und er fiel stimmgewaltig und textgenau ein. War eben nur Bier.

JENNI ZYLKA