: Lähmende Mixtur
Bei den Fußballern von Hannover 96 mangelt es an Geld, Selbstvertrauen und einem Präsidium, das Mut macht. Das Team muss trotz eines 2 : 0-Erfolges gegen Berlin über den Klassenerhalt nachdenken
von CHRISTIAN OTTO
Bundesweit, das lässt sich schon jetzt kaum noch verhindern, wird die Abwrackprämie das Wort des Jahres 2009. In Hannover aber, und das ärgert die Fans von Hannover 96, dürfte das Wörtchen „Planungssicherheit“ zur ungeliebten Vokabel der Saison werden. „Wir haben immer noch keine Planungssicherheit“, meinte Martin Kind, der allmächtige Mann bei dem Fußball-Erstligisten, auch nach dem verdienten 2 : 0-Heimsieg gegen den bisherigen Titelanwärter Hertha BSC Berlin.
Was der Präsident auf seine trockene Art seit Wochen sagen will: Erst wenn die Mannschaft die letzten Zweifel am Klassenerhalt beiseite geschossen hat, geht es an die Planungen für die nächste, hoffentlich erfolgreichere Saison. Dass Hannover 96 seit langem auf der Stelle tritt, dass selbst Erfolge wie der gegen die Hertha keine großen Jubelarien entfachen, ist bei den „Roten“ zu einem recht unerfreulichen Spielchen geworden.
Kind ist mehr Kaufmann als Kicker. Er möchte, das war am Oster-Wochenende nicht zu überhören, sogar den umjubelten Nationaltorhüter Robert Enke zum zahlungskräftigen FC Bayern München lassen, damit es in der Bilanz der Fußballfirma 96 wieder freundlicher aussieht. Der Etat der „Roten“ für das Personal soll für die kommende Saison von fast 30 Millionen auf 25 Millionen Euro gesenkt werden.
Für die Knauserigkeit von Kind darf sich auch die aktuelle Mannschaft mitverantwortlich fühlen. Denn was helfen Heimsiege gegen Branchengrößen wie München, Hamburg und Berlin, wenn das Team um Kapitän Robert Enke unterm Strich als Schießbude der Liga verspottet wird? Keine Abwehr in Deutschlands höchster Spielklasse ist löchriger (56 Gegentore), keine Mannschaft spielt auf des Gegners Platz noch erfolgloser (nur zwei Punkte). „Auswärts ist die Mannschaft in vielen Spielen irgendwie zusammengebrochen“, sagt Defensivspieler Leon Andreasen und zuckt bei seinen Erklärungsversuchen zu „daheim hui, auswärts pfui“ mit den Schultern.
Was Hannover 96 lähmt, ist eine merkwürdige Mixtur aus Misserfolg, Pessimismus und fehlender Finanzkraft. „Wir werden immer im unteren Tabellendrittel spielen“, meint Klubchef Kind mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten in Niedersachsens Landeshauptstadt. Es sind Sätze wie diese, die einerseits vernünftig klingen, die für die Spieler aber auch wie Spaßbremsen wirken dürften.
Mit sieben aktuellen Profis müssten dringend Vertragsgespräche geführt werden. Selbst Spielmacher Arnold Bruggink, einer der besten Torvorbereiter der Liga und beim Heimsieg gegen die Berliner wie Mike Hanke ein Torschütze, wird Woche für Woche vertröstet.
„Ich würde den Spielern auch gerne Signale geben“, sagt Trainer Dieter Hecking. Der angesichts der sportlichen Talfahrt oft kauzig auftretende Übungsleiter darf sich seit dem Abgang von Christian Hochstätter Anfang des Jahres auch als Übergangs-Sportdirektor an der Seite von Kind betätigen. Es wäre aber eindeutig besser, er würde sich voll auf das Unternehmen Klassenerhalt konzentrieren.
Doch Kind lässt Hecking auf seine Art strampeln, er zögert offenbar aus strategischen und finanziellen Gründen auch mit der überfälligen Verpflichtung eines neuen Sportdirektors. „Herr Hecking ist über die ersten Gespräche mit möglichen Kandidaten informiert, aber er ist nicht eingebunden“, sagt der Klubchef in seinem Unternehmerdeutsch. Selbstvertrauen auf dem Platz und Identifikation mit dem Verein kann man nicht kaufen. Martin Kind scheint bei allen Verdiensten für den Verein nicht zu wissen, wie man einem Trainer und einer Mannschaft mitten im Abstiegskampf Mut macht.
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