: Schwarzpulver in der Hochhauswohnung
Ein 76-Jähriger verübte fünf Sprengstoffanschläge. Dann verletzte er sich mit einer selbst gebauten Bombe schwer
Noch können die Ermittlungsbehörden nur spekulieren, was einen 76-jährigen Rentner aus Hohenschönhausen zu mehreren Sprengstoffanschlägen getrieben hat. Als er am 25. Oktober in seiner Wohnung im zehnten Stock eines Hochhauses mit einer selbst gebauten Bombe hantierte, verletzte sich der Mann so schwer, dass er immer noch vernehmungsunfähig ist. Der Unfall hat die Kripo auf die Spur des lang gesuchten Täters gebracht, der zwischen dem 6. Juli 2002 und dem 10. September 2003 fünf Attentate verübt hat.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz taten Staatsanwaltschaft und Polizei gestern kund, eine mysteriöse Anschlagsserie sei aufgeklärt. Als Sprengstoffexperten und Staatsschutzbeamte die Wohnung des schwer verletzen Rentners durchsucht hätten, seien sie „auf eine weitere funktionstüchtige Sprengvorrichtung gestoßen“, sagte Staatsanwalt Thorsten Neudeck gestern. Der Sprengsatz, in Metallrohre abgefülltes Schwarzpulver aus Feuerwehrskörpern, war der Schlüssel zur Lösung der fünf Anschläge – drei auf einen Gebrauchtwagenhändler in Tiergarten, zwei auf einen Arzt aus Wilmersdorf.
Dem Mediziner Ruben Gesmundo Herzog, ein Onkologe philippinischer Abstammung, hatte der Rentner im Juli vergangenen Jahres einen Sprengsatz auf sein geparkte Auto gelegt. Damals kam der Arzt mit dem Schrecken davon. Der zweite Anschlag im September 2003 verletzte ihn so, dass er das rechte Auge verlor.
Was hat den Rentner zu diesen Taten bewogen? Den Ermittlungen der Polizei zufolge hatte der Mann in dem Hochhaus in Hohenschönhausen ein ruhiges, zurückgezogenes Leben geführt. Er wohnte dort seit über 20 Jahren. Fast so lange, wie er beim VEB Gummiwerke als Maschinenführer tätig war. „Es gab keinen offen ausgetragenen Konflikt“, so Staatsanwalt Neudeck.
Dafür, warum es Arzt Gesmundo Herzog getroffen haben könnte, haben die Ermitlungsbehörden immerhin eine Vermutung. Herzog kümmert sich um Krebspatienten in ihrem letzten Krankheitsstadium und hat in der onklogischen Praxis gearbeitet habe, in der auch die Frau und die Schwägerin des Beschuldigten behandelt worden waren. Die krebskranke Schwägerin war 1999 ihren Leiden erlegen, die Ehefrau ein Jahr später.
Sicherheit über das Tatmotiv werde man aber erst haben, wenn der Beschuldigte vernehmungsfähig sei – vorausgesetzt, er sei zur Aussage bereit, so der Staatsanwalt. Der Rentner war mit schweren Verletzungen an Händen und Oberkörper zunächst ins Unfallkrankenhaus Marzahn eingeliefert worden. Inzwischen befindet er sich im Haftkrankenhaus Moabit.
Die Motivsuche für die drei Anschläge auf das Geschäft eines Gebrauchwagenhändlers gestaltet sich schwieriger. Der Beschuldigte hatte dort seinen grünen Mercedes gekauft. Dem Vernehmen nach soll der Laden überteuerte Preise fordern und auf Reklamationen unfreundlich reagieren. Ob es wegen des Mercedes Ärger gab, kann aber wohl nur der Beschuldigte selbst sagen, die Polizei hat bisher keine Erkenntnisse. Wenn der Händler etwas zu verbergen habe, so ein Kripobeamter gestern, „wird er uns das bestimmt nicht sagen“.
PLUTONIA PLARRE