strafplanet erde: herbstdepression und inkarnation von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Eine egoistische Bitte an den, der für Buch und Regie zuständig ist: Im nächsten Leben möchte ich nicht als Restrukturierungsberater bei der Unternehmensberatung KPMG wiedergeboren werden. Wär’ nicht mein Ding, habe ich festgestellt, als ich in Folge 98 der Reihe „101 Köpfe, auf die Sie achten sollten“ über einen Restrukturierungsberater der KPMG las: „Erst 38 Jahre ist er alt, trägt Manschettenknöpfe an den Ärmeln, eine Brille und eine ungegelte Igel-Frisur auf dem Kopf.“

Nichts gegen 38-jährige Brillenträger und sanftes Manschettenknopf-Piercing. Und möglichst viele Lohnabhängige auf die Straße zu setzen – das ist ein systemimmanenter Irgendwer-muss-den-Job-ja-machen-Job, eine meiner leichtesten Übungen. Aber ich sende OVER, wenn ich einer Branche angehören müsste, deren Repräsentanten offenbar mehrheitlich eine gegelte Igel-Frisur tragen, und zwar sogar „auf dem Kopf“. Sonst wäre eine ungegelte kaum erwähnenswert. (Und über eine ungeigelte Gel-Frisur sprechen wir ein andermal.)

Einen Vorteil haben Restrukturierungsberater allerdings: Dass in der Stellenbeschreibung das Wort Herbstdepression nicht vorkommt. Das wäre ja gelacht. Fiele sie trotzdem eine solche an, stünde ihnen ein Arsenal an effektiven Substanzen zur Verfügung, deren Finanzierung und eventuell illegale Beschaffung ohnehin kein … „Nichts als Spekulationen“, wirft der Restrukturierungsberater des Strafplanetariums ein, und er hat Recht.

Et ceterum censeo wird die Herbst- bzw. Novemberdepression gemeinhin bei weitem überschätzt, ihre publizistische Erwähnung könnte getrost für eine Weile untersagt werden. Denn Gegenmittel sind vorhanden, Songs und Texte von Shel Silverstein zum Beispiel. Und es werden mehr und mehr, seitdem Funny van Dannen fast jedes Jahr um diese Zeit eine neue CD veröffentlicht. Aufgeschlossene Restrukturierungsberater, die sich mit dem Gedanken tragen, die gerade erschienene zu kaufen, sollten mal in den dritten Song hineinhören:

„Sie haben TÜV-Plaketten auf der Seele / Sie zahlen keinen Cent Steuern zu viel / Sie wollen, dass sich Leistung wieder lohnt / Sie sagen ‚nach dem Spiel ist vor dem Spiel‘.“ Der Refrain wird dann für den notorisch pumperlg’sunden Menschenverstand vollends unverständlich: „Und ich wär’ hier so gerne zu Hause / Denn die Erde ist mein Lieblingsplanet / Doch werde ich hier nie so zu Hause sein / Wie die Freunde der Realität.“ Dass die zudem „wahrscheinlich wunderbare Väter“ sind, versteht sich von selbst, „und irgendwie sind sie selbst noch ein Kind“. Und sie „wissen, was man wissen muss / Und wie man Eindrücke gewinnt“.

Es sei albern, sagte neulich jemand, aber in schwachen Stunden stelle er sich das so vor: Kurz nachdem die Geräte abgeschaltet sind, frage eine Stimme nach der gewünschten nächsten Inkarnation. Er würde dann möglicherweise sagen: „Als Song von Funny van Dannen.“

Nicht schlecht, entgegnete ich, und sang ihm Silversteins „Your Credit Card Won’t Get You Into Heaven“ vor, von dem ich bislang nur den Text kenne. Das Thema findet sich mittlerweile in einem Werbespot von EuroCard. Trotzdem gut.