Worauf man sich verlassen kann

Till Hastreiter hat mit „Status Yo!“ einen Film gemacht, der HipHop nicht nur abbildet, sondern auch vollständig davon durchdrungen ist

„HipHop ist viel mehr als eine Mode, das ist eine Lebenseinstellung.“ Regisseur Till Hastreiter muss es wissen. Schließlich hat er nicht nur bereits als Dreizehnjähriger an den Turntables Plattennadeln verschlissen und sich beim Breakdance die Glieder verrenkt. Er hat auch dreieinhalb Jahre seines Lebens sowie einen „Swimmingpool voller Herzblut“ in einen Film investiert, von dem man mit Fug und Recht behaupten kann, dass er HipHop nicht bloß darstellt, sondern vollständig davon durchdrungen ist: eine einzige, zweistündige Jam-Session voller Breaks, Beats und Loops und mehr Sprüchen, als Tags auf einen U-Bahn-Waggon passen.

Gedreht wurde, wie sich das für ein Werk „straight outta the streets“ gehört, ausschließlich mit Laiendarstellern, die der Regisseur aus der Berliner Szene rund um Hermann- und Heinrichplatz rekrutiert hat, jeder Meter Filmnegativ wurde aus den eigenen Taschen finanziert. Das Ergebnis ist erstaunlich, nicht nur, weil man von Filmen, die sich „Jugendkultur“ und „Authentizität“ aufs Banner geschrieben haben, für gewöhnlich nur das Peinlichste erwarten darf. Natürlich wird auch in „Status Yo!“ keine Gelegenheit ausgelassen, sich und seine korrekte „attitude“ abzufeiern, schließlich ist durch Bescheidenheit noch kein MC berühmt geworden. Aber dem Film gelingt das Kunststück, die Subkultur und ihre Protagonisten weder als exotische Phänomene auszustellen noch sie in Beschlag zu nehmen für die altbekannte Geschichte (siehe noch Eminem in Curtis Hansons „8 Mile“), wie man dank HipHop von einem Niemand aus der Gosse zum umfeierten Star wird. Es geht nicht ums Gewinnen, es geht einfach ums Weitermachen. HipHop (und seine vier Säulen: Rappen DJing, Breakdance und Graffiti) ist das Fundament, es ist das, worauf man sich verlassen kann, wenn alles andere um einen herum zusammenbricht.

Und schief gehen kann eine Menge. Yaneq hat 24 Stunden Zeit, eine Party auf die Beine zu stellen, ansonsten hat er gar nichts: keinen Act, keine Technik, keine Location. Der Rapper Sera Finale hat sich vor seiner Chefin ein paar Sprüche zu viel erlaubt und seinen Dealer mit den Zahlungen zu lange hingehalten, jetzt braucht er eine neue Wohnung und einen neuen Job. Vern will Manager der besten Breakdance-Crew der Welt werden, kriegt aber keinen Fuß in die Tür, Tarek ist über den Dächern von Berlin auf der Suche nach dem legendären weißen Zug, den noch kein Sprayer berührt hat. Zwischendurch machen durchgeknallte Werbeagenturen, pöbelnde Nazibanden und die Kreuzberger Mafia allen das Leben noch schwerer. Schwierigkeiten, mit denen offenbar auch die Crew beim Dreh zu kämpfen hatte. Hastreiter: „Wenn jemand beim Dreh verhaftet wird, dann ist er eben weg, und ein Geschichtsstrang endet abrupt.“

„Status Yo!“ erzählt all diese Geschichten (und noch ein paar mehr) als ineinander verwobenes Geflecht: „Short Cuts“ trifft „Wild Style“, den HipHop-Klassiker von 1982 (Regie: Charles Ahearn), und nach Hastreiters Bekunden der Film, der ihn selbst für die damals noch kaum bekannte amerikanische Jugendkultur begeistert hat. „Dokumentierte Fiktion“ nennt der Regisseur seinen Stil, eine Mischung aus direkter, ungestellter Herangehensweise und stilisierter Überhöhung in extremer Verdichtung, plus ein guter Schuss Selbstironie. Die Leinwand verwandelt sich in ein Graffiti-Gemälde, Splitscreens verbinden immer wieder die verschiedenen Erzählstränge in einem Bild, eine Prügelei mit Skinheads wird als Battle aus Breakdance und Capoeira inszeniert. Keine Frage, wer danach als Sieger vom Platz geht. DIETMAR KAMMERER