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Archiv-Artikel

Schöner Schrumpfen ohne Platte

Der Bevölkerungsschwund in Nordrhein-Westfalen ist Fakt. Jetzt soll der städtebauliche Rest verschönert werden. Mit den Abrissprogrammen im Osten will das Land aber nichts zu tun haben

aus ESSENANNIKA JOERES

Nordrhein-Westfalens Einwohnerzahlen schrumpfen – aber mit Ostdeutschland möchte hier niemand verglichen werden. „Unser Programm ist kein Abbruchprogramm wie sein östliches Pendant“, sagte Städtebauminister Michael Vesper (Grüne) gestern in Essen auf der Tagung „Einsteigen statt Aussteigen! Demografischen Wandel kooperativ gestalten.“ In NRW gehe es nur darum, vom Schwund betroffene Städte zu stabilisieren.

Laut Prognosen werden im Jahr 2040 eine Millionen weniger Menschen in NRW leben, weniger Geburten als Todesfälle und Abwanderung sind die Hauptursachen. Insbesondere das Ruhrgebiet verliert BürgerInnen die Steuern zahlen, in die Schule und ins Theater gehen, die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Seit dem vergangenen Jahr fördert das bundesweite Programm „Stadtumbau West“ besonders betroffene Stadtteile, in NRW sind das zum Beispiel die Gelsenkirchener Innenstadt, Essen und Oer-Erkenschwick.

„Auch von der Wirtschaft kommt aber Druck, die Städte umzubauen“, sagt Geograph Jürgen Aring. Städte seien nicht mehr von Industrie geprägt, sondern von Wissensinseln, so genannten „gebildeten Orten“ mit qualifizierten BewohnerInnen und Jobs in neuen Branchen. Auf der anderen Seite stehe die neue Armut in den problematischen Stadtteile. Neu sei aber, dass der Staat nicht mehr in der Lage sei, die krassen Unterschiede auszugleichen. Auch Aring scheut den Vergleich mit dem Osten. „Das ist kein Notstandsprogramm.“

Für den Soziologen Hartmut Häussermann von der Berliner Humboldt-Universität ist der Unterschied zwischen Ost- und West nur eine Frage der Zeit. „Im Osten geht der Umbau schneller als hier.“ Aber auch in NRW lasse der Markt bestimmte Regionen links liegen und die Politik könne das nicht mehr wegsubventionieren. „Oder sie will es nicht“, sagt Häussermann bedauernd. Jetzt müsse die Entscheidung fallen, ob Wohnorte für Alte oder die neue Ökonomie gefördert werden solle oder ob vielleicht doch Potenzial für Kultur existiere. „Wichtig ist, dass die Innenstädte bunt werden“, sagt Häussermann. Je mehr Alt und Jung, Reich und Arm gemischt leben würden, desto überlebensfähiger sei ein Stadtteil.

Geograph Aring will nicht so sehr auf die Zentren gucken. „Unser Land besteht aus Wohnflächen auf der grünen Wiese.“ Auch bei entspannteren Mietmärkten zögen die Leute nicht zurück in die Stadt. „So viele tolle Wohnungen gibt es da nicht.“

Nicht so viele tolle, aber doch viel zu viele: „Die Nachfrage sinkt rapide“, sagt Egbert Dransfeld vom Dortmunder Institut für Bodenmanagement. Nicht so rapide wie im Osten, aber der Westen habe trotzdem einen entscheidenden Nachteil: Während Plattenbauten meistens mit einem einzigen Kopfnicken abgerissen werden könnten, gehören verkommene Häuserzeilen in Gelsenkirchen oder Mönchengladbach häufig Vielen, die sich erst einigen müssten. „Wir können den Wertverlust nur reduzieren, nicht verhindern.“