: berliner szenen Am Winterfeldtplatz
Von 21 bis 22 Uhr
Das „Slumberland“ direkt am Winterfeldtplatz ist eine Legende. Altwestberliner Altstraßenkämpfer (heute oft in Kommunikationsberufen) erzählen gern, wie sie sich damals, frühe Achtziger, nach den Raegan- und Hausbesetzerdemos in dieser Kneipe zur Nachbereitung trafen. Für mich Nachgezogenen wirkt sie wie der Dorfkrug eines Vorzeige-Multikulti-Dorfes. Sand auf dem Boden. Stehende Zeit. Freundliche Bedienung. Ideelles deutsch-afrikanisches Begegnungszentrum. Dazu Reggae und Bier.
An diesem Dienstag im Oktober, an dem ich für diese Szene recherchierte, geschah hier etwas, worauf ich mir keinen Reim machen kann. Um 21.37 Uhr kamen ein Mann Anfang 40, eine gleichaltrige Frau und drei Söhne aus dem „Slumberland“. Die beiden jungen Söhne (etwa 8) toben noch etwas auf dem Mann rum, die Frau steht daneben, der dritte, ältere Sohn (etwa 16) hat die Hände in den Taschen und darf schon Bier trinken. Eine Familie, denkt man. Aber an der Winterfeldtstraße trennen sie sich. Die Frau und ein Kind gehen nach links, der Mann mit dem Jugendlichen und dem anderen Kind nach rechts. Seltsam. Was ging hier vor? Ein Paar in der Anbahnungsphase, das die Kinder aus jeweils erster Ehe sich beschnuppern lassen wollte? Ein Mann und eine Frau, die sich zufällig trafen und spontan beschlossen, mit Kind und Kegel in die Kneipe zu gehen? Bruder und Schwester, die nach einem Spaziergang mit ihren jeweiligen Kindern …? Nichts passt wirklich. Mir will einfach keine plausible Rahmengeschichte einfallen.
Als Nächstes kommen zwei Afrikaner aus dem „Slumberland“ und unterhalten sich in einer Sprache, die ich noch nie vorher gehört habe. DIRK KNIPPHALS
(22 bis 23 Uhr: kommenden Freitag)