piwik no script img

Archiv-Artikel

Die strahlenden Sieger

Sie denken, George W. Bush habe die US-Wahlen gewonnen? Mag sein. Tatsächlich können sich aber noch einige Zeitgenossen mit ihm freuen, von denen man das eigentlich nicht erwarten würde

Die Konservativen können jubeln, so viel sie wollen. Mit ihnen haben auch all jene Grund zur Freude, die davon profitieren, dass George W. Bush die Welt in zwei Lager spaltet.

Eminem

Was wäre, wenn der umstrittenste Popstar der Welt mit seiner Single „Mosh“ die Wahl entschieden hätte? Neben dem neuen demokratischen Präsidenten stünde das gesamte Spektrum des aufgeklärten Amerika knöcheltief in seiner Schuld. Eminem als Königsmacher? In der innigen Umarmung eines dankbaren Establishments würde sein polarisierendes Potenzial rasch abschmelzen. Wenn Pop noch die Kraft zur Gegenbewegung hat, dann steht Eminem jetzt schon in der „pole position“ – als radikalster Sozialkritiker seiner Generation. FRA

Michael Moore

Unser dicker Lieblingsantiamerikaner hat sich, so scheint es, noch nicht wirklich erholt vom schrecklichen Wahlsieg seines Widersachers: „Let’s do it!“ war noch gestern auf www.michaelmoore.com als letzte Botschaft Moores zu lesen, eingegeben vor der Schließung der Wahlkabinen. Was aber tut er nun? Kräftig weiter Profit machen. Noch den einen oder anderen Anti-Bush-Film drehen, das eine oder andere Anti-Bush-Buch schreiben, die eine oder andere Million verdienen. Four moore years, Michael! KUZ

Gott

Manche meinten schon, er wäre mausetot. Dabei ist er nur ausgewandert: „If I can make it there“, dachte er sich, „I’ll make it anywhere.“ Europa mit seiner Aufklärung und seinem säkularen Gedöns gönnt ihm ja nicht mal Asyl in der Verfassung! In den USA ist er so omnipräsent wie in alten Tagen. Hier, im Mutterland der Entgrenzung, wird seine bergende Funktion noch gebraucht. Als Berater des Präsidenten. FRA

Rot-Grün

Insgeheim und klammheimlich werden sich Gerhard Schröder und Joschka Fischer gefreut haben, als sie vom Wahlsieg George W. Bushs erfahren haben. Klimaschutz beim Teufel, schlechte transatlantische Beziehungen, ein neuer Krieg? Immer her damit. Denn 2006 wird in Deutschland wieder gewählt. Und niemand ist ein besserer Wahlhelfer für Rot-Grün als ein kriegstreibender und klimaschädigender George W. Bush. KUZ

Hillary Clinton

Seien wir doch mal ehrlich: Die smarte Hillary hätten wir sowieso viel lieber als US-Präsidentin gesehen als den farblosen Kerry. Hätte der jedoch gesiegt, wäre er in vier Jahren sicherlich noch mal angetreten. So wird jedoch Frau Clinton für die Demokraten ins Rennen gehen. Und sie wird siegen. Und Bill wird Hausmann. Und dann wird alles gut. KUZ

Die Simpsons

Homer Simpson ist die Karikatur eines Bush-Wählers, „USA, USA, USA !“ skandierend, mit tropfenden Mundwinkeln und Donuts im Hirn. Die den „American Way of Life“ im Bush wählenden Middle West unschlagbar selbstironisch – und nicht antiamerikanisch – auf die Schippe nehmende Zeichentrickserie wird nun erst recht Zuschauer vor den Bildschirm locken. Simpsons gucken ist Widerstand. MRE

Die Friedensbewegung

Durch den Bush-Sieg ist die Existenzberechtigung pazifistischer Organisationen deutlich gesichert worden. Kaum ein anderer Präsident hat die Aktivisten so mobilisiert wie Bush. Mit dem Präsidenten bleibt ein über vier gemeinsame Jahre lieb gewordenes Feindbild erhalten, was nicht unwesentlich zur Identitätsstiftung der Bewegungen beiträgt.

LÜN

Ussama Bin Laden

Mit der Amtszeit Bushs verlängert sich automatisch auch die Amtszeit seines Antipoden Ussama Bin Laden. Beim Barte des Propheten, was hätte Ussama denn anfangen sollen, wenn John Kerry plötzlich den Nahostkonflikt beendet hätte? KUZ

Die taz

„Oops, they did it again“, titelte die taz anlässlich der erneuten Kür von George W. Bush. Am nächsten Tag war die Titelseite weltweit im Fernsehen zu bewundern – nämlich auf BBC World. Die taz profitiert insofern von einer sich durch den Wahlausgang verschlechternden Weltlage, als es den Blick der Menschen auf ebendiese verschärfen wird. Den meisten Menschen außerhalb der USA ist bewusst, dass eine weitere Amtsperiode Bushs weitreichende Konsequenzen haben wird, über die es sich zu informieren lohnt. MRE