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Archiv-Artikel

Die-In bei der Aids-Hilfe

Der niedersächsischen Aidshilfen protestieren in Hannover gegen drohende Kürzungen. Das Netz der Beratungsstellen auf dem Land wird wohl ausgedünnt werden müssen

Hannover taz ■ „Schwule besuchen Schweine“ hieß die Party auf einem Bauernhof bei Cloppenburg, bei der sich kürzlich fast 200 Homosexuelle zum rosanen Schwofen trafen. Als Berater mit in den Party-Ställen: die niedersächsische Aids-Hilfe.

Dabei ist hier derzeit niemand in Feierstimmung. Die niedersächsische Landesregierung will die Zuschüsse kürzen. Zuerst ging es um 300.000 der 1,4 Millionen Euro. Dagegen protestierten die Aids-Hilfen gestern mit Gesang und „Die-In“ in Hannover. Immerhin verkündete FDP-Fraktionschef Philipp Rösler eine frohe Botschaft: Seine Partei habe durchgesetzt, dass doch nur 100.000 Euro gespart werden müssen.

„Wir wissen dennoch nicht mehr, wo wir noch sparen sollen, ohne Strukturen zu zerstören“, sagt Brigitte Litfin, Vorsitzende des Landesverbands der niedersächischen Aids-Hilfen. Der Landeszuschuss sei seit 1997 unverändert, die Kommunen hätten ihre Mittel sogar reduziert. Sozialpädagogische Arbeit, Sterbebegleitung, Aufklärung und Beratung an Schulen, in Diskos, Knästen, Porno-Kinos oder auf dem Strich stehen zumindest auf der Kippe, das Netz der bislang 13 regionalen Beratungsstellen wird ausgedünnt werden müssen – vor allem die kleinen Büros auf dem Land dürften betroffen sein.

Dabei tut gerade hier Aufklärung Not. Eine lokale Aidshilfe im Süden Niedersachsens habe vor kurzem für ein gesundes Kind HIV-infizierter Eltern eine neue Schule suchen müssen, weil andere Eltern befürchteten, ihr Kleines werde sich anstecken, erzählt Litfin. Unwissen bei den Alten, Arglosigkeit bei den Jungen: „Viele Jugendliche glauben heute, Aids sei Geschichte“, sagt Litfin. Viele meinten, „es gibt einen Impfstoff“.

Immerhin hat sich die Zahl der Neuinfektionen verringert. 1997 wurden in Niedersachsen noch 161 neue HIV-Fälle registriert, im ersten Halbjahr 2003 waren es nur noch 41. Die im Vergleich zu Bayern (148) oder Baden-Württemberg (101) geringe Zahl erklärt sich für Litfin durch die gute Präventionsarbeit der Aids-Hilfen.

Die Aufgaben werden dennoch nicht weniger. „HIV-Positive leben heute durch bessere Medikamente länger als früher“, sagt Litfin. Durch die Einschnitte im Gesundheits- und Sozialwesen würden sie aber auch leichter zu einem Fall für das Sozialamt. Eine Herausforderung sei auch der Zustrom von Prostituierten aus Osteuropa und Asien. Einerseits liegt die Infektionsrate dort heute mittlerweile in einigen Ländern höher als in Afrika, andererseits bedienen die Huren ihre Kunden hier „für ein paar Euro mehr auch ohne Kondom“, sagt Litfin. Kai Schöneberg