: Dioxin im Viehfutter – der Umwelt zuliebe
162 Bauernhöfe in Holland gesperrt, drei in Deutschland. Die Rinder bekamen dioxinhaltige Kartoffelreste als Futter. Hersteller McCain hatte auf vermeintlich ökologische Produktion umgestellt. Dabei wurde versehentlich dioxinhaltiger Ton eingesetzt
VON BEATE STRENGE UND ANDREAS WYPUTTA
Drei Bauernhöfe in Nordrhein-Westfalen, acht in Belgien und 162 Betriebe in den Niederlanden sind gesperrt worden. Es besteht der Verdacht, dass die Tiere dioxinhaltiges Futter erhalten haben. Der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Alexander Müller, sagte gestern, es gebe aber „keinerlei Hinweise für eine akute Gefährdung der Verbraucher“.
Das Futtermittel stammt vom Pommes-frites-Hersteller McCain in den Niederlanden, der aus Schalen und Restkartoffeln Viehfutter macht. Ein Firmensprecher sagte, nach den Dioxinfunden sei der Verkauf des Futtermittels umgehend gestoppt worden. In den Pommes frites finde sich aber kein Dioxin.
Die drei gesperrten Bullenmastbetriebe in Nordrhein-Westfalen seien von McCain beliefert worden, sagte Leo Bosten, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Düsseldorf der taz. In den Niederlanden sind auch Schafe, Ziegen und Kühe betroffen. Das Ausmaß der Dioxinbelastung steht noch nicht fest. „Die Untersuchungen sind aufwändig und dauern ein paar Tage“, so Bosten.
Der Fall wurde gestern bekannt, war aber schon vor drei Wochen in den Niederlanden ins Rollen gekommen. Dort wurde Dioxin in Kuhmilch gefunden. Dioxin ist eine hochgiftige Chemikalie, die Krebs erzeugt. Es ist sehr langlebig und wird in der Nahrungskette weitergereicht. Eier, Milchprodukte oder Fleisch von Tieren können somit ebenfalls belastet sein.
Das Dioxin stammt in diesem Fall aber nicht wie bei üblichen Futtermittelskandalen aus Altöl oder anderen Entsorgungspraktiken, sondern höchstwahrscheinlich aus der Natur – genauer gesagt aus dem Ton-Mergel Kaolinit. Dieser Ton kann Dioxin enthalten. „Das Dioxin ist seit Jahrmillionen in der Erde. Was damals passiert ist, weiß man nicht, vielleicht hat es große Waldbrände gegeben“, sagte Jürgen Kundke, Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung. Das Institut untersteht Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne). Überall auf der Welt finde man dioxinhaltiges Kaolinit. Manche Stellen seien stark belastet, andere gar nicht. „Das kann von Baggerschaufel zu Baggerschaufel unterschiedlich sein“, erklärte Kundke.
Kaolinit wird bei McCain zur der Sortierung der Kartoffeln eingesetzt, heißt es in einer Eilerklärung der EU-Kommission. Dabei schwimmen die ungeschälten Kartoffeln in einem Tonbad: Die guten Kartoffeln, die dichter und schwerer in der Masse sind, gehen unter – die schlechteren mit weniger Dichte schwimmen oben, werden abgeschöpft und kommen wie die Schalen ins Viehfutter. Diese neue Methode wendet McCain erst seit wenigen Monaten an. Die Ironie der Geschichte: Das Unternehmen habe auf das Kaolinitverfahren „aus Umweltgründen umgestellt“, sagt die EU-Kommission. Das früher verwendete Salzbad sei eine größere Belastung für die Umwelt.
Schon seit langem ist bekannt, dass der Ton Kaolinit Dioxin enthalten kann. Es hat in der Vergangenheit schon mehrfach Futtermittelprobleme durch den Ton gegeben. Denn vielfach wird Kaolinit ins Tierfutter gemischt, damit es in den Röhren für die automatische Fütterung nicht verklumpt. „Jeder Hersteller von Futtermitteln ist verpflichtet, die Qualität seines Produktes zu prüfen – und zwar EU-weit“, sagte Jürgen Kundke vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Dioxinfunde zeigten aber, dass die Kontrolle gut funktioniere.
Die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning forderte hingegen schärfere Kontrollen von Lebens- und Futtermitteln. „Bei diesen Produkten müssten mehr Untersuchungen stattfinden auf die schlimmsten Umweltgifte.“