: Freudentag, ade
Da Hans Eichel den „Tag der Einheit“ einsparen will, wird er als vaterlandsloser Geselle beschimpft
AUS BERLIN MATTHIAS URBACH
Damit hat wohl auch Hans Eichel nicht gerechnet: Wenn der „Tag der Deutschen Einheit“ künftig an jedem ersten Sonntag im Oktober begangen werden soll, werden sich 2007 viele Deutsche unwohl fühlen: Dann fiele der Feiertag nämlich auf den 7. Oktober, den „Tag der Republik“, Gründungs- und Feiertag der DDR.
Doch Finanzminister Eichel (SPD) stand unter Druck: Laut gestriger Steuerschätzung nimmt der Bund 2005 erneut 3,5 Milliarden Euro weniger ein als noch im Mai geschätzt. Dazu kommen 3 Milliarden Mehrausgaben für den Arbeitsmarkt und vermutlich 1,5 Milliarden weniger Bundesbankgewinn: Macht ein Minus von 8 Milliarden. Wollte er nicht 2005 zum vierten Mal das Maastricht-Kriterium verpassen, und das unmittelbar vor dem Bundestagswahlkampf, musste Eichel sich etwas einfallen lassen.
Und das hat er. Dabei ist die Verlegung des Tages der Einheit auf einen Sonntag mit einem Plus von rund zwei Milliarden Euro gesamtstaatlich, aber nur einer halben Milliarde für Eichels Haushalt nicht einmal der größte Brocken. Eine Milliarde will Eichel dagegen durch weiteres Einsparen bei den Ausgaben erwirtschaften, eine weitere Milliarde kommt durch zusätzliche Privatisierungserlöse dazu.
Den Löwenanteil macht aber der Verkauf von Pensionsforderungen auf dem Kapitalmarkt aus. Post und Telekom müssen eigentlich bis 2090 rund 18 Milliarden Euro in die staatliche Postpensionskasse zahlen, um die Altersbezüge ihrer ehemaligen Staatsbeamten mitzufinanzieren. Durch den Verkauf etwa eines Drittels dieser Forderungen will Eichel 5,5 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Das führt dazu, dass der Bund später selbst für die Pensionslasten aufkommen muss – Eichels Nachfolger dafür also umso mehr konsolidieren muss: Und zwar anfangs rund 1,3 Milliarden Euro mit abnehmender Tendenz. 2020 wären es noch 500 Millionen Euro jährlich.
Der Forderungsverkauf, daraus machte Eichel gestern bei der Vorstellung der Zahlen keinen Hehl, ist für den Staat praktisch genauso, als würde er mehr Schulden machen. Er hätte auch lieber Steuersubventionen abgebaut, sagte er, „es gibt keinen anderen vernünftigen Weg“. Doch dies verhindere bislang der Bundesrat.
„Normale“ Schulden wären wohl günstiger gekommen, sind aber nicht möglich, da die Investitionen im nächsten Jahr ohnehin nur knapp über der geplanten Kreditaufnahme von 22 Milliarden Euro liegen. Die Verfassung verbietet aber, mehr Schulden zu machen als Investitionen. Ganz abgesehen von den Maastricht-Kriterien. Über die Pensionskasse kann Eichel diese aber umgehen. „Ich kann mir nicht vorstellen“, urteilt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, „dass Brüssel das gut finden wird.“
Eichel erklärte gestern, dass nicht nur er, sondern auch die Länderfinanzminister immer häufiger zu solchen Tricks greifen müssten: So habe Hessen seine Ministerien verkauft, mit der Konsequenz, hierfür nun künftig Miete zahlen zu müssen. Das „reiche Baden-Württemberg“ habe seine Zinseinnahmen aus der Landesbank bis 2017 verkauft, um kurzfristig liquide zu sein. Insgesamt planten fünf Länder mehr neue Schulden als Investitionen. Eichel hoffe deshalb, dass auch die Länder beim Subventionsabbau kooperativer würden. Bei der Abschaffung der Eigenheimpauschale sehe er schon Anzeichen dafür.
Doch es sieht nicht so aus, als ob dieser Haushalt eine so differenzierte Debatte erleben wird. Dann mit seinen Feiertagsvorschlag liefert Eichel der Opposition ein Symbol, dass sie lustvoll angriff. Der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach nannte Eichel einen „vaterlandslosen Gesellen“ und für den früheren DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke (CDU) ist Eichel gar ein „Vaterlandsverräter“.
Während DIW-Chef Zimmermann die Feiertagsregel unterstützt („500 Millionen dauerhafte Mehreinnahmen sind ja kein Pappenstiel“) und auch Handelskammerpräsident Ludwig Georg Braun sich aufgeschlossen zeigte, gab es Kritik auch von den Grünen. Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck äußerte Zweifel, ob es das richtige Signal sei, „den einzigen Freudentag der Deutschen aus dem Kalender zu streichen“.
Eichel reagierte gewohnt trocken: „Der 3. Oktober kann nicht gestrichen werden, der Feiertag wird auch nicht abgeschafft – er wird nur nicht länger verknüpft mit einem arbeitsfreien Tag.“ Die Deutschen müssten eben mehr arbeiten „für die deutsche Einheit“, deren Vollendung mit 80 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche schlagen werde.