: Alle Worte erstickt
Von der Unmöglichkeit, Verhaltensmuster abzuschütteln: Peter Kurth, Schauspieler am Hamburger Thalia Theater, erhält den „Rita Tanck-Glaser-Schauspielpreis 2004“
Er tastet sich durch das Schweigen. Er lebt die Lethargie. Er schreit, schlägt, mordet, wenn‘s sein muss. Sein muss? Ja, für die Personen, die Peter Kurth des Öfteren verkörpert, muss es manchmal sein: Hilflosigkeit prägt viele dieser auf den ersten Blick oberflächlichen Figuren. Kriminelle können es sein, sozial Benachteiligte, deren massive Körpersprache jedes Wort erstickt.
Den mit 10.000 Euro dotierten „Rita Tanck-Glaser-Schauspielpreis 2004“ bekommt am morgigen Sonntag Peter Kurtz, der seit der Spielzeit 2000/2001 fest am Hamburger Thalia Theater engagiert ist. Die Auszeichnung, so die Begründung der Jury, verstehe sich „als Mitte zwischen Förderpreis und Ehrung des Lebenswerks“. Dies ist treffend formuliert, hat der 1957 in Güstrow geborene Kurth doch – nach Engagements in Magdeburg und Chemnitz – am Schauspiel Leipzig Brechts „Puntila“ sowie den Mephisto in Goethes „Faust“ gespielt.
In Hamburg war es Michael Thalheimers „Liliom“-Inszenierung 2000, die Kurth nachhaltig ins Gespräch brachte, hatten die Hanseaten die Inszenierung doch als gar zu blutig empfunden. Ein angesichts der ganz offensichtlich gebrochenen Selbstmord-Szene recht merkwürdiger Vorwurf seitens der versierten Theatergängerschaft. Viel wesentlicher dabei und auch vom Regisseur explizit unbegriffen: die wortlose Beziehung Lilioms zur Gattin und die Verquickung aus Fürsorge und krimineller Energie, die Liliom zum Bankräuber macht, um Frau und Kind zu ernähren.
Drastisch und jede Sekunde präsent ist Kurth in seinen Rollen – und doch: ein bisschen verhuscht eben auch in seiner Unfähigkeit, Konflikte zu lösen – etwa als Frau Johns krimineller, aber liebender Bruder Bruno in Hauptmanns „Ratten“ – oder als ihr Ehemann, der verzweifelt zart sein Baby umfasst.
Aber trotzdem – ein bisschen linkisch bleiben die leisen Töne von Kurths Figuren immer, das Rauhbein gelingt ihnen einfach besser, ohne dass ihnen das im Leben irgendwie weiterhülfe. Und vielleicht ist es das, was Peter Kurths Figuren so authentisch macht: die Tatsache, dass er sie wie hilflos auf dem Rücken zappelnde Schildkröten präsentiert, die einfach nicht aus ihrem Panzer – ihren tief eingravierten Verhaltensmustern – herauskönnen. Und die oft nicht einmal begreifen, was ihnen da eigentlich passiert. Petra Schellen