: Preiswertes Baukastenprinzip
Eigenheime sind für junge Menschen kaum finanzierbar. Das soll sich ändern: Häuser aus separaten Raummodulen sollen mit dem Haushalt wachsen – oder auch wieder schrumpfen können. Ein Prototyp dieser Berliner Entwicklung ist in Planung
„Häuser sind derzeit für junge Menschen in Deutschland fast unerschwinglich teuer.“ Bei dieser Feststellung wird Udo Kraft wohl kaum jemand widersprechen. Der Professor am Studiengang Bauingenieurwesen der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin (FHTW) hat sich vorgenommen, daran etwas zu ändern. Gemeinsam mit Studierenden entwickelte er das „mitwachsende Haus“: ökonomisch kalkulierte Eigenheime für den – zumindest Anfangs – kleinen Geldbeutel kleiner Haushalte. „Wir haben Gebäude konzipiert, die in der Startphase noch relativ klein sind, mit rund 50 bis 60 Quadratmetern Wohnfläche.“ Ziel des Projektes: Die Kosten für dieses „Starterhaus“ oder Ein- bis Zweipersonenhaus sollten unter 50.000 Euro liegen. Die Konstruktionen der Häuser sind so angelegt, dass die Häuser mit der Familiengröße „mitwachsen“ können.
Die Grundidee ist zunächst simpel: Ein Haus muss nicht mehr von Anfang an – bei einem Junggesellen oder einem jungen Paar – bereits für vier oder mehr Personen gebaut werden. Es muss auch nicht gleich der Kredit für ein noch viel zu großes Haus abbezahlt werden. „Man kann mit einem zunächst kleinen Haus und mit deutlich geringeren Mitteln und niedrigerer Zinsbelastung starten“, erläutert Professor Kraft. „So sollten die Ausgaben nicht über 250 bis 300 pro Monat liegen, also den vergleichbaren Kosten, die sonst als Miete für eine Wohnung auftreten.“ Für spätere Zeiten muss dieses Haus erweiterbar sein und in jeder Bauphase auch architektonisch eine gute Figur machen. Es darf in keiner Bauphase unfertig wirken. Dass es noch horizontal sowie vertikal „wachsen“, also vergrößert werden kann, soll man dem Eigenheim nicht ansehen. Nach diesen Vorgaben wurden über 100 verschiedene Ideen für „wachsende Häuser“ von Studenten und Studentinnen der FHTW entwickelt.
Das Grundkonzept entstand bereits in den 20er-Jahren. Neue Bautechnologien, wirtschaftliche Flaute und Mangel an Wohnraum gaben den Anstoß. Schon damals waren junge Familien die Zielgruppe. Seinerzeit wurde das denkbar kleinste Maß einer Wohneinheit für zwei Personen noch mit 25 Quadratmetern Wohnfläche für den Grundkern angegeben. 1931 nahmen viele bedeutende Architekten an einem deutschlandweiten Wettbewerb mit konkreten, auch ausgeführten Lösungen teil – unter anderem Eiermann, Gropius, Mebes, Migge, Poelzig, Scharoun, Bruno und Max Taut. Doch noch bevor technische und konzeptionelle Anfangsschwierigkeiten gelöst wurden, fand das avantgardistisch anmutende Konzept unter den Nationalsozialisten ein frühes Ende.
„Ein Zubetonieren oder Verschweißen der Verbindungselemente scheidet damit aus“, erläutert Kraft. Als Systemlösungen hat er gleich mehrere Varianten im Angebot, unter anderem: Beton-Großtafelbauten oder -Skelettbauten, wandhohe Porenbetonfertigteile, Holzrahmen- oder Holztafelbauten, Holzblockhaus- und Holzskelettbauten. Für mehrere Entwürfe liegen Kostenschätzungen und -berechnungen vor. Kraft: „Danach treten in der ersten Baustufe Kosten von etwa 1.000 bis 1.300 Euro pro Quadratmeter auf.“ Diese Kosten sind theoretisch ermittelt und gelten für einen normalen Ausstattungsstandard. „Diese Kosten liegen so hoch, weil die gesamten Hausanschlüsse, eine Küche und ein Bad mit den relativ hohen Kosten in der ersten Baustufe notwendig sind. Die weiteren Anbaustufen Kosten dann nur noch 350 bis 750 Euro pro Quadratmeter.“ Bei einer größeren Serienfertigung könnten laut Kraft deutlich niedrigere Kosten veranschlagt werden. Bislang liegen die Baukosten des Starterhauses noch ein wenig über der ursprünglichen Zielvorgabe: bei 50.000 bis 65.000 Euro. Aber: „Danach können die hohen Einsparungen beim Zinsdienst mit möglichen Mehrkosten für Erweiterungen abgewogen werden“, erklärt Kraft. Rechenbeispiele zeigten, dass ein kleines mitwachsendes Haus, mit geringen Schulden und damit entsprechend geringen Zinsen, deutlich günstiger sei.
Krafts Fazit: „Die Idee ist reif zur Realisierung.“ Ein Prototyp ist in Planung. Raummodule würde eine Baufirma zur Verfügung stellen. Als Standort hat Kraft ein Grundstück auf dem Hochschulgelände in Karlshorst ins Auge gefasst. Schließlich steht ein technisch wegweisender und zugleich wirtschaftlicher Bau einer Fachhochschule für Technik und Wirtschaft gut zu Gesicht. LARS KLAASSEN