: Den Film ohne die Obsession gemacht
„Darf ich bitten?“ mit Richard Gere ist nur ein müdes Remake des japanischen Erfolgsfilms „Shall We Dance“
„Darf ich bitten?“ ist ein Remake des japanischen „Shall We Dance“ von 1996, aber eins ohne Sinn & Verstand. Immerhin sehen wir in beiden Filmen einen gut verdienenden Familienvater in mittleren Jahren, der ein Geheimnis hat: Er nimmt Tanzunterricht in Walzer, Rumba, Tango, Quickstep. Hierfür muss er die Partnerin anfassen, und das ist in Japan, wie uns der Prolog der Exportfassung fürsorglich belehrt, tabu und öffentlich zur Schau gestelltes Laster – in einem Land, in dem selbst Ehepaare auf der Straße niemals Händchen halten sollen. „Shall We Dance“ mit seinem Plädoyer, geheime Träume rauszulassen, das Geträumte zu inszenieren, den Obsessionen freien Lauf zu lassen und sein Leben zu verändern – der japanische Tabubruch war ein sensationeller Publikumserfolg.
„Darf ich bitten?“ spielt in Chicago (gedreht in Winnipeg, Kanada). Dort fasst Richard Gere die Tanzpartnerin an. Das ist wenig sensationell. Zudem verheimlicht er sein Training im Tanzsportclub vor Ehefrau Susan Sarandon. Warum? Wohl kaum, weil er eine lasterhafte Obsession verbergen muss. Um es gleich zu sagen: Die Heimlichtuerei scheint keinen anderen Zweck zu haben, als dass die Gattin dem Gatten auf die Schliche kommen kann. Wird sie es? So spannend kann ein Remake-Filmplot sein. Bis es schlussendlich so weit ist, sieht man sie in Küche und Garten werkeln; den Schnittbohnen müssen die Fäden gezogen werden, halbnah und gewissenhaft.
Beim großen Turnier zickt sie herum und bringt Gere um den Sieg, der greifbar nahe war. Des Ehemannes Konsequenz: Er lässt das Tanzhobby sausen, schmeckt in der Küche ab, was er angerichtet hat, drückt die Kinder an sein Herz und geht mit der Gattin schick aus. Alle sind glücklich wie am Anfang des Films, aber noch glücklicher als glücklich. Die Family Values sind etabliert, geändert hat sich nichts, vor allem nicht Geres filmlanges Dauerlächeln, dem, wie ich höre, keine heterosexuell veranlagte Zuschauerin widerstehen können soll. Wie ich weiter in Erfahrung bringen konnte, soll das Remake USA-intern doch mit einem deftigen Tabubruch aufwarten. Aber wer weiß schon hier in Europe, dass Gere, der den amerikanischen Traum lebt, unmöglich noch einen eigenen Traum (den Gesellschaftstanz) ausleben kann. Denn das würde das Ungeheuerliche bedeuten, dass der American Dream verbesserungsbedürftig sei. Doch, doch, ich habe meine Gewährsleute. Schade nur, dass „Darf ich bitten?“ sich nicht diesbezüglich einen eigenen Prolog vorgesetzt hat.
Wenn ich mich über die Moral von der Geschicht aufrege, so deswegen, weil Family-Gere und damit der Film die liebevoll geschilderten und mehr oder minder verrückten Mittanzschüler im Stich lässt. Als Zuschauer geht man, und, das muss nun auch gesagt werden, insoweit hat der Film was, – als Zuschauer also geht man eine Beziehung zu den sechs Outcasts ein, und bloß weil Susan zickt, soll auch für uns damit Schluss sein? Fuck you.
DIETRICH KUHLBRODT
„Darf ich bitten?“. Regie: Peter Chelson. Mit Richard Gere, Susan Sarandon u. a., USA 2004, 106 Min.