Ein Kämpfer wird Opfer seines Erfolgs

Lothar Evers hat Jahrzehnte für die Rechte der NS-Zwangsarbeiter gestritten. Jetzt kündigt ihm sein eigener Verband

Lothar Evers kommt auf den ersten Blick wie ein gutmütiger Gymnasiallehrer, Typ Alt-68er, daher. Doch dieser Eindruck verfliegt schnell, sobald man mit ihm die ersten Worte wechselt: Ein Kämpfer ist der 49-jährige Kölner, einer, der sich über Jahre mit den großen deutschen Konzernen anlegte. Der großen Anteil daran hatte, dass frühere Zwangsarbeiter in den deutschen Industriebetrieben der Nazizeit endlich eine Geste der Wiedergutmachung erhielten – nach Jahrzehnten ohne Entschädigung für ihre Leidenszeit.

Seit 1995 ist Evers Sprecher, später Geschäftsführer des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte. 1990 war er ein Mitgründer einer Vorläuferorganisation. Doch nun, nach mehr als einem Jahrzehnt des Einsatzes für die Zwangsarbeiter, wurde ihm fristlos gekündigt. Dagegen will Evers Klage einreichen.

Im Bundesverband, Träger des „Demokratiepreises 2003“ der Blätter für deutsche und internationale Politik, tobt ein brutaler Machtkampf. „Als Waffe gegen Lothar“, so heißt es in einem Papier seiner Gegner, solle man „Scheiße sammeln und dokumentieren“. Eine „kreative Intrige“ sei gefragt. Ziel sei, dass „man Lothar nach dem Ende dieses Monats gesägt kriegt“. „Unser Betriebsklima ist vergiftet wie noch nie“, beschreibt ein anderes Schreiben die Stimmung.

Wie es dazu kommen konnte, dazu gibt es mindestens zwei Versionen, die eines gemeinsam haben: den Erfolg des Vereins. Der erhielt nämlich von der Bundesstiftung für die Zwangsarbeiterentschädigung innerhalb kurzer Zeit viel Geld und Personal, um früheren Zwangsarbeitern zu helfen, damit sie in Archiven Nachweise für die Zeit der Ausbeutung finden. Evers, der auch im Kuratorium der Stiftung ist, sei von der Expansion auf bis zu 30 Mitarbeiter und der Verwaltung von etwa 500.000 Euro im Jahr „völlig überfordert“ gewesen, so die Gegner. Er habe auf den Stress mit „Jähzornsanfällen“ gegenüber den Mitarbeitern reagiert. Daraufhin sei ein Betriebsrat gegründet worden, um mehr Kooperation sicherzustellen. Gegen die Gründung des Betriebsrats habe Evers gekämpft.

Evers dagegen sagt, es sei klar gewesen, dass recht bald wieder Personal hätte abgebaut werden müssen – dann nämlich, wenn die meisten Nachweise für die Zwangsarbeiter erbracht worden seien. Die Gründung eines Betriebsrats hätten manche nur dafür nutzen wollen, ihre Kündigung zu erschweren oder unmöglich zu machen. „Ich hätte nie geglaubt, dass in unserem Projekt Menschen eine Heimat haben, die sich offen der Sprache des Unmenschen bedienen“, ätzt Evers. „Die Sprache verrät die dahinter stehende Haltung.“

Auf einer Mitarbeiterversammlung Ende Januar will Evers den Konflikt zum Thema machen und seine Rückkehr in den Bundesverband durchsetzen. Vielleicht siegt der alte Kämpfer noch einmal. Eines aber ist jetzt schon klar: Evers, der Verband und die Sache der Zwangsarbeiter haben Schaden genommen. PHILIPP GESSLER