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Archiv-Artikel

Hutu-Milizen geben auf

Der Militärchef der im Kongo stationierten ruandischen Hutu-Kämpfer hat sich den ruandischen Behörden gestellt. Die Milizen sind für den Völkermord verantwortlich

BERLIN taz ■ „Das ist der Anfang vom Ende des Krieges, den Ruanda gegen die Völkermörder geführt hat“, hieß es jubelnd in einer offiziellen ruandischen Stellungnahme; die UN-Mission im Kongo spricht von einem „Durchbruch“. Grund für die Euphorie: Der Militärführer der in der Demokratischen Republik Kongo stationierten ruandischen Hutu-Milizen hat die Waffen gestreckt. Zusammen mit über 100 hochrangigen Kollegen überquerte Paul Rwarakabije, Militärchef der „Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR), in der Nacht zum vergangenen Samstag die Grenze zu Ruanda, ergab sich und wurde am Samstag in der Hauptstadt Kigali mit allen Ehren empfangen. „Wir haben beschlossen, die Waffen niederzulegen, denn Krieg ist nicht die beste Lösung“, erklärte Rwarakabije.

Die FDLR wurde 2000 in Deutschland gegründet, als politischer Arm der verbleibenden Mitglieder ruandischer Hutu-Milizen und Armeeeinheiten, die 1994 am Völkermord in Ruanda beteiligt waren. Danach flohen sie in den Kongo (damals Zaire) und bekämpften von dort aus Ruandas neue Regierung. Mit der Notwendigkeit, sie von Ruanda fern zu halten, begründete die Regierung in Kigali 1996–2002 ihre Militärpräsenz und politische Einmischung im Kongo. Die Hutu-Milizen wiederum waren als Reaktion darauf in Kongos Regierungsarmee eingegliedert worden.

Rwarakabije leitete im Juni 2001 die letzte große Offensive der Hutu-Kämpfer gegen Ruanda. Als die Regierungen von Kongo und Ruanda im Juli 2002 Frieden schlossen, sicherte Kongo das Ende seiner Unterstützung für die ruandischen Milizen zu und Ruanda den Abzug seiner Armee. Daraufhin wurde die FDLR im Kongo verboten; ihre Kämpfer blieben aber im Kongo – zum Teil in der Regierungsarmee, zum Teil als irreguläre Banditen im Osten des Landes.

Erst als im Juli 2003 Kongos Kriegsparteien eine gemeinsame Regierung bildeten, standen die fremden Milizionäre alleine da. In den letzten Wochen häuften sich Überfälle mittelloser ruandischer und burundischer Hutu-Kämpfer auf die Zivilbevölkerung im Ostkongo. Ihre Stärke wird von Experten auf 12.000 bis 15.000 geschätzt.

Die Kapitulation der FDLR-Militärführung wird von Ruandas Regierung als Erfolg ihrer Demokratisierungs- und Versöhnungspolitik dargestellt, die von Kritikern jedoch als zunehmend autoritär beschrieben wird. Sie folgt auf eine Reihe bilateraler Abkommen Ruandas mit Tansania, Uganda, Malawi und Namibia über die geordnete Rückführung ruandischer Hutu-Flüchtlinge. Die Regierung Kagame wirbt seit Jahren darum, dass sämtliche Flüchtlings- und Exilantengruppen nach Ruanda zurückkommen und am Wiederaufbau des Landes mitarbeiten.

Rwarakabije und seine Mitstreiter können jetzt auf Armeeposten hoffen. Sie wurden nicht inhaftiert, sondern sollen helfen, ihre im Kongo verbliebenen Kollegen zur Aufgabe zu bewegen.

In der FDLR hat der Seitenwechsel des Militärchefs einen Machtkampf ausgelöst. Eine „Interimsführung“ der Gruppierung erklärte am Dienstag, der Kampf gehe weiter.

DOMINIC JOHNSON