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Archiv-Artikel

Starke Politik und weicher Dollar

Während die weltpolitische Rolle der USA nach Bushs Wiederwahl gestärkt ist, sackt der Dollar auf neue Tiefstände. Das hohe Defizit der Leistungsbilanz setzt die US-Währung unter Druck. Sind die Probleme vorübergehend oder fundamental?

Schwer erklärlich bleibt, warum das Wachstum so wenige Jobs schafft

VON HANNES KOCH

Seltsam: Es sieht es so aus, als würden die USA nach der Wiederwahl von George W. Bush zum Präsidenten ihre hegemoniale Interessenpolitik fortführen. Dagegen zeugt der sinkende Wert des US-Dollars aktuell nicht von Stärke, sondern von besonderer Schwäche. Kann es sein, dass die politische und militärische Macht der USA nicht mehr durch ökonomische Stärke gedeckt ist?

In den Tagen nach den US-Wahlen bewegte sich der Wert des Dollar um 1,28 bis 1,29 pro Euro. Die US-Währung ist im Verhältnis zum europäischen Geld so schwach wie Mitte der 1990er-Jahre. Damals ging es der US-Wirtschaft gar nicht gut, das Wachstum war niedrig, und der Boom der New Economy hatte noch nicht begonnen.

Der Wert einer Währung spiegelt auch immer die ökonomische Stärke der Wirtschaft des jeweiligen Landes. Vor dem Hintergrund dieser Annahme argumentiert Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (s.: taz-Interview v. 4. 11.), dass „US-Unternehmen in immer geringerem Umfang in der Lage sind, ihre Produkte konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt anzubieten“. Und wenn die ökonomische Hegemonie erodiere, so Dieters Prognose, sei irgendwann auch die militärische Dominanz infrage gestellt.

Andere Experten teilen die These von den strukturellen Problemen der US-Wirtschaft allerdings nicht. Im Gegenteil: Die US-Unternehmen seien gut aufgestellt, die Produktivität der Herstellung nehme in großen Schritten zu, begründet etwa Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Auch Klaus Papenbrock von der Deutschen Bank sieht „keine fundamentale Schwäche“ der nordamerikanischen Ökonomie. Die Hightech-Industrie sei weltweit führend, ebenso die Finanzbranche, so Papenbrock. Als Beleg für den guten Zustand führt er die steigende Zahl von Arbeitsplätzen an. Im September 2004 kamen offiziell 96.000 Jobs hinzu, im Oktober sogar 337.000. Teilweise unerklärlich bleibt freilich, warum das relativ starke Wachstum (2004 sollen es 4,3 Prozent werden) weniger neue Jobs schafft als in früheren Boomphasen. Vermutlich hat das mit der großen Zunahme der Produktivität und den steigenden Gewinnen der Firmen in den USA zu tun.

In einer Analyse sind sich die meisten Experten freilich einig: Das große Leistungsbilanzdefizit stelle tatsächlich ein erhebliches Problem dar. In diesem Jahr werden die USA Waren im Wert von rund 500 Milliarden US-Dollar mehr importieren als exportieren. Um diesen Konsum zu bezahlen, verschulden sich die privaten und öffentlichen Haushalte im Ausland in gleicher Höhe. Und genau dieser gigantische Kapitalimport ist es, der den Wert des Dollars drückt. Die Logik der Devisenhändler funktioniert so: Um die aktuelle Schieflage mittelfristig zu beseitigen, haben die USA ein Interesse daran, dass der Dollar schwächer wird. Denn das verbilligt US-Waren und unterstützt ihren Verkauf, während Produkte aus dem Ausland in den USA wegen höherer Preise schlechter loszuwerden sind. Der Wert des Dollar sinkt, weil die Händler erwarten, dass er sinkt.

Wenn es US-Regierung und Notenbank auf diese Weise gelingen sollte, das Defizit unter Kontrolle zu bringen, wäre die politische Position der Hegemonialmacht vermutlich nicht bedroht.