Schröder beugt sich der Einheitsfront

Deutsche dürfen auch in Zukunft am Tag der Einheit freimachen. Finanzminister Hans Eichel und der Kanzler scheitern kläglich mit dem Versuch, den Feiertag abzuschaffen. Jetzt soll die Lücke im Haushaltsentwurf 2005 auf andere Art geschlossen werden

BERLIN taz ■ Der Tag der Deutschen Einheit bleibt ein arbeitsfreier Feiertag. Die Werktätigen dürfen also auch in Zukunft am 3. Oktober ausschlafen. Diese beruhigende Nachricht verkündete SPD-Chef Franz Müntefering gestern Nachmittag. Damit ist es Rot-Grün gelungen, eine neue Rekordzeit im Einsammeln eigener Vorschläge aufzustellen.

Nur 24 Stunden nachdem Finanzminister Hans Eichel angekündigt hatte, den Tag der Einheit zu Sparzwecken auf den ersten Sonntag im Oktober zu verlegen, erklärte Müntefering, er werde den Vorschlag „nicht weiter verfolgen“. Der SPD-Chef verwies zur Begründung auf den Widerstand der Grünen, die ebenso wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) Bedenken angemeldet hatten.

Auf die Proteste von Oppositionspolitikern, die der SPD Geschichtsvergessenheit und Vaterlandsverrat vorgeworfen hatten, ging Müntefering nur indirekt ein. Er erwarte, dass „die Mutlosen, die Bequemen und die Polemiker, die sich zu diesem Regierungsvorschlag gemeldet haben, nun verantwortungsbewusst dazu beitragen, eine bessere Lösung für Haushalt und Wachstum zu finden“, sagte Müntefering. Eichel und Kanzler Gerhard Schröder hatten sich von der Streichung des 3. Oktober einen Wachstumsschub um 0,1 Prozent und Mehreinnahmen im Bundeshaushalt von einer halben Milliarde Euro erhofft.

Erst nach Münteferings Erklärung zog auch der Kanzler seine Unterstützung für Eichels Vorschlag zurück. Er müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung „am Opportunismus einer ganz großen Koalition“ gescheitert sei, schimpfte Schröder in Brüssel. Die Debatte über den Feiertag nannte er „reichlich verlogen“, ohne jedoch Namen zu nennen. In den Chor der Kritiker hatte am Donnerstag auch Bundespräsident Horst Köhler eingestimmt. Das Staatsoberhaupt schrieb in einem offenen Brief an Schröder: „Der 3. Oktober als Symbol der Wiedervereinigung sollte erhalten werden!“ LKW

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