: Protest im Schatten des Todes
Die Nachricht vom Tod eines französischen Demonstranten hinterlässt ohnmächtige Wut und tiefe Trauer bei der Anti-Castor-Bewegung im Wendland. In Hamburg blockierten Castor-Gegner die Schanzenstraße
aus DannenbergMarco Carini
Laut, bunt, phantasievoll: das war einmal. Nach der gestern Nachmittag im Wendland eintreffenden Nachricht vom Tod eines französischen Gleisblockierers, dem der aus La Hague kommende Atommüllzug beide Beine abgetrennt hatte, ist die fröhliche Seite des Protests gegen den Castor-Transport ins niedersächsische Gorleben von einer Sekunde zur anderen zum Erliegen gekommen. Zahlreiche geplante Aktionen wurden von den Anti-Atom-Gruppen abgesagt. Eine für den Abend geplante Demonstration in Hitzacker wurde als Trauerkundgebung abgehalten.
Welche Auswirkungen das schreckliche Unglück auf den wendländischen Atomprotest der kommenden Tage haben wird, war in der Nacht zu Montag noch völlig unklar. Kurz vor dem Unfall hatte Robin-Wood-Sprecher Jürgen Sattari noch öffentlich versprochen, dass es zu „spektakulären Aktionen kommen“ werde, mit dem Ziel die Ankunft des Castors weiter „zu behindern und zu verzögern“. „Wir können nicht so weitermachen wie bislang geplant“, lautete dann aber die spontane Reaktion einer Sprecherin von „X-tausendmal quer“ auf den tödlichen Unfall auf der französischen Zugstrecke. Andere Stimmen hingegen betonten, der Protest müsse „im Sinne des Verstorbenen“ weitergehen.
Auch eine Radikalisierung geplanter Widerstandsaktionen aus Wut über den Tod des Gleisblockierers wurde von mehreren Gruppen nicht ausgeschlossen. Am Abend verdichtete sich das Gerücht, dass die am Widerstand teilnehmenden Gruppen am heutigen Montag in der Nähe von Gorleben um 17 Uhr eine gemeinsame Sitzblockade beginnen werden, während andere geplante Aktionen abgesagt werden sollen.
Der Castor, der heute im Wendland erwartet wird, dürfte vermutlich am frühen Dienstagmorgen den letzten Streckenteil von La Hague ins Atommülllager Gorleben, den Weg über die Straße, in Angriff nehmen. Die finalen Straßenblockaden in Lengendorf und Groß Gusborn, nur wenige Kilometer vor dem Gorlebener Endlager, sind bereits seit Tagen vorbereitet. Ob und in welcher Form sie stattfinden werden, war am späten Sonntag nach der Todesnachricht noch unklar.
Zuvor war es im Wendland bereits zu ersten kleinen Scharmützeln zwischen Polizei, Grenzschutz und Atomkraftgegnern gekommen. Am Sonntagmorgen kesselten mehrere Polizeieinheiten samt Wasserwerfer die Teilnehmer einer seit Tagen offiziell angekündigten Fahrrad-tour, die vom Verladekran nach Gorleben führen sollte, lange Zeit ein. Auch in der Nacht zum Sonntag war es nach Angaben der Polizei zu vereinzelten Aktionen gekommen, die aber ebenso „friedlich“ verlaufen seien wie eine Traktordemonstration von rund 60 Landwirten am Samstagabend.
Bereits tagsüber war es am Samstag auch in Hamburg zu einer spontanen Protestaktion gegen den erwarteten Atommüll gekommen. Mehrere Atomkraftgegner verketten einige Einkaufswagen miteinander und blockierten damit die Schanzenstraße in Höhe des S-Bahnhofs Sternschanze. In die Wagen untergebrachte Luftballons mit Radioaktivitätswarnhinweis verdeutlichten den Bezug zu dem bevorstehenden Castor-Transport. Als Reaktion auf den tödlichen Unfall des französischen Castor-Gegners wollten sich am Abend Demonstranten vor der Roten Flora im Schanzenviertel sammeln.
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