: Stark untertrieben
betr.: „ Hochschulen: Demo gegen Sparpläne“, taz vom 13. 11. 03
18.000 Menschen demonstrierten gestern in Hannover gegen die in den Sparplänen der niedersächsischen CDU/FDP-Landesregierung vorgesehenen Millionenkürzungen an den Hochschulen! Allein aus Göttingen kamen 3.500 Demonstrierende. Und zwar nahmen nicht nur Studierende, sondern auch Universitätsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Professoren und Professorinnen, an dieser Kundgebung teil!
Die Aussage „Mehr als 3.000 Studenten“ ist demnach so stark untertrieben, dass sie eine völlig andere Bedeutung erhält! Auf diese „feinen Unterschiede“ zu achten, lernt man übrigens (u. a.) in den Literaturwissenschaften. Die Vermutung liegt nahe, dass sich hinter dem Argument, alle Geisteswissenschaft sei „unproduktiv“ und besitzte daher keine Existenzberechtigung, die Angst vor ihrer Kritikfähigkeit verbirgt! BIRGITT BERTRAM, Göttingen
Ich denke ein solches Ereignis sollte gerade in der Tageszeitung mehr zu Gewicht schlagen, zumal es von der sonstigen Presse erschreckend totgeschwiegen wird. Die Universitäten stehen Kopf, wir demonstrieren vielleicht zum ersten Mal seit sehr langer Zeit vergessene Masse und Einigkeit. Ich bin empört und enttäuscht und hoffe in der morgigen Ausgabe der taz in meinem Briefkasten genauere Artikel zu finden. Jeder, der in Hannover war, hat die Wut und die Power gespürt, die von Studenten, Lehrenden, Schülern sowie Angestellten aller Universitäten und Fachhochschulen Niedersachsens ausging. Das war erst der Anfang. […]
MAREIKE WERNER, Göttingen
Weit mehr als 22.000 (laut Polizeiangaben!) Studenten, Professoren und Gewerkschaftler demonstrierten am 12. 11. 03 in Hannover zusammen gegen die verheerenden Kürzungen, die schön verpackt als Hochschul-„Optimierungs“-Konzept daherkommen.
Nach dem Pisa-Schock schämt sich die niedersächsische Landesregierung nicht, gerade im Bildungsbereich über 40 Millionen Euro einzusparen! Zwei Hochschulen müssen dichtmachen, an anderen Unis werden ganze Studiengänge einfach geschlossen, Einstellungsstopps für freiwerdende Lehrstühle verhängt, im wissenschaftlichen Mittelbau tausende von Mitarbeitern entlassen. Selbst billige studentische Hilfskräfte, die dafür sorgten, dass sowieso schon überfüllte Seminare, Praktika und Exkursionen überhaupt durchführbar waren, dass also Wissen vermittelt wurde, was in Vorlesungen vor über 300 Studenten kaum mehr möglich war, können sich die Universitäten nicht mehr leisten.
Schon jetzt wandern jährlich 20 Prozent der Studienanfänger (!) aus Niedersachsen ab, um das weitaus bessere Bildungsangebot in Bayern und Baden-Württemberg zu nutzen. Zudem drohen in Niedersachsen bisher verfassungsrechtlich verbotene allgemeine Studiengebühren, um die katastrophale Bildungsmisere irgendwie abzufedern. Bildung wird zum Luxus für Kinder reicher Eltern, denn schon jetzt müssen über 60 Prozent neben ihrem Studium arbeiten, um sich finanzieren zu können. Selbst Bildungsminister Stratmann (CDU) räumt ein, es könne durch seine „Optimierungen“ zu Einschnitten im Bildungswesen kommen. Sollte ausgerechnet unser Bildungsminister nicht wissen, was optimieren eigentlich bedeutet? […] JÖRG WERNER, Göttingen