: Keine Strafe für Zivilcourage am „Tag der Menschenrechte“
Mit der Einstellung des Verfahrens endet vor dem Kölner Amtsgericht der Prozess gegen fünf Aktivisten aus dem Umfeld der Initiative „kein mensch ist illegal“. Sie hatten im Dezember 2002 gegen die Unterbringung von Flüchtlingen auf einem Wohncontainerschiff im Deutzer Hafen protestiert
Köln taz ■ Es war eine ebenso spektakuläre wie mutige Tat. Und auch wenn der Zeitpunkt nicht frei gewählt war, so hätte er doch kaum passender sein können: Am „Internationalen Tag der Menschenrechte“ seilten sich zwei Frauen und ein Mann aus dem Umfeld der Initiative „kein mensch ist illegal“ (kmii) in Greenpeace-Manier an der Kaimauer im Deutzer Hafen ab. Stundenlang hingen sie dort an jenem 10. Dezember 2002 über dem Wasser in der Kälte, um das Anlegen eines Schiffes zu verhindern – und zwar eines ganz besonderen Kahns: des Wohncontainerschiffes „Transit“.
„Bei diesem Manöver befanden sich die Angeklagten in Lebensgefahr“, bescheinigte ihnen gestern der Staatsanwalt. Denn es habe die Gefahr bestanden, dass sie zwischen dem Schiff und der Kaimauer erdrückt würden. Darüber hinaus hätten sich die drei diverser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten schuldig gemacht. So des Hausfriedensbruchs, der Nötigung und auch des Verstoßes gegen die „allgemeine Hafenordnung“. Zwei weiteren Angeklagten warf er vor, den Abgeseilten per Kanu Verpflegung gebracht und sich damit der Beihilfe schuldig gemacht zu haben. Über die Gründe für ihr Handeln verlor der Anklagevertreter gestern im Sitzungssaal 112 vor dem Kölner Amtsgericht indes kein Wort.
Auf dem Wohnschiff, so hatte es die damalige schwarz-gelbe Rathauskoalition beschlossen, sollten über 200 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien untergebracht werden. Zur Abschreckung, um allen anderen in Köln unerwünschten Menschen schon vor ihrer Anreise deutlich zu machen: Dies ist keine lebenswerte Stadt für euch! „Ich konnte bis zuletzt nicht glauben, dass ein solches schwimmendes Flüchtlingslager in Köln anlegen würde“, sagte eine der Angeklagten vor Gericht. Da sich jedoch die Stadt trotz aller Proteste im Vorfeld nicht von ihrem Plan hatte abbringen lassen, versuchten rund 40 kmii-Aktivisten an jenem Dezembertag zur Selbsthilfe zu greifen.
Auch wenn die auf einem ihrer mitgebrachten Transparenten prangende Parole „Das Boot bleibt leer“ ein frommer Wunsch blieb, so konnten sie doch immerhin sechs Stunden lang verhindern, dass das Flüchtlingsschiff im Hafen anlegte. Die Polizei hatte Spezialeinsatzkräfte inklusive Schlauchboot anfordern müssen, um die Abgeseilten von der Kaimauer zu holen. „Wer bleibt übrig zu handeln, wenn nicht ich?“, erklärte einer der Angeklagten. Sie habe sich „genötigt gefühlt, zu handeln“, begründete eine andere ihr Engagement. Alle fünf machten in ihren politischen Erklärungen deutlich, in vergleichbarer Situation wieder so zu handeln. So versprach denn auch einer von ihnen dem Richter, angesichts weiterer drohender Massenabschiebungen „werde ich sie auch weiterhin gerne beschäftigen“.
Nach nicht einmal einer Stunde war die Verhandlung beendet. Wie auch schon in einem ersten Prozess im Februar gegen Demonstranten, die seinerzeit die „Transit“ kurzzeitig „geentert“ hatten, wurde das Verfahren gegen die Angeklagten nach Paragraph 153 wegen geringer Schuld eingestellt. Pascal Beucker