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Archiv-Artikel

Mauerblümchen am Kai

Der Massengutumschlag im Hamburger Hafen wächst zwar nicht so wie der Containerverkehr, spielt aber noch eine große Rolle – sogar strategisch

Pro Getreidesack bekommt man nicht mal das, was eine Maß Bier kostet

von Gernot Knödler

Vor der Rethe-Hubbrücke liegt der Massengutfrachter „Nicholas“ und schluckt Roggen für Japan. 1.000 Tonnen pro Stunde fließen in den rostigen Rumpf. Nach 18 Stunden wird das Schiff den Kai des Silos P. Kruse verlassen und ein paar Hundert Meter hinter der Brücke bei der Firma G.T.H. weitere 18.000 Tonnen laden. Dass sich hier überhaupt was tut, ist ein kleines Wunder. Denn die Getreideernten waren in diesem Jahr so gut, dass nur wenig importiert werden muss und europäisches Getreide auf den Weltmärkten schwer abzusetzen ist.

Getreide gehört wie Ölsaaten, Flüssigkeiten, Erz und Schrott zu den Massengütern – Kennzeichen: nicht zählbar – und damit zu den Mauerblümchen des Hamburger Hafens. Mit 39,4 Millionen Tonnen hatten sie im vergangenen Jahr zwar einen Gewichtsanteil von 37 Prozent am gesamten Umschlag. Mit dem stürmischen Wachstum des fast ausschließlich in Containern abgewickelten Stückgutumschlages kann das Massengut jedoch nicht mithalten. Während sich der Umschlag der guten Stücke seit 1990 mehr als verdreifacht hat, konnte das Massengut kaum um ein Fünftel zulegen.

Ungünstige Preis- und Wechselkurse wie in diesem Jahr beim Korn schlagen heftig ins Kontor. Gegenüber den ersten neun Monaten 2003 ging die Getreideausfuhr des Hafens von 1,9 Millionen auf 365.000 Tonnen zurück. „Für einen Getreidesack kriegt man nicht mal das, was man auf dem Oktoberfest für eine Maß Bier ausgeben muss“, berichtet Jaana Kleinschmit v. Lengefeld von der Neuhof-Hafen-Gesellschaft (NHG), die vor allem für die Ölmühle Hamburg umschlägt. Wenn diese gentechnisch verändertes Soja herbeischippern lässt, bekommt Kleinschmits Branche bisweilen Schwierigkeiten mit Greenpeace. Das Aktionslager der Umweltschützer liegt gleich um die Ecke vom Silo P. Kruse am Reiherstieg.

P. Kruse gehört mit einer Lagerkapazität von 80.000 Tonnen zu den kleinen Massengutumschlagsfirmen im Hafen. Die NHG, der Kruse zu 51 Prozent gehört, verfügt allein über fast 190.000 Tonnen Lagerkapazität, G.T.H. hat Platz für 250.000 Tonnen. Die Auslastung schwankt stark, nicht nur wegen wechselnder Weltmarktpreise, sondern weil die Silos nicht im Linienverkehr bedient werden, sondern von Fall zu Fall. Mal landet ein Schiff, dann wieder kommt tagelang keines. Neben einem Stamm von eigenen Mitarbeitern beschäftigen die Firmen deshalb Leute der Gesamthafen-Betriebsgesellschaft, die eigens einen Pool an ausgebildeten Arbeitskräften vorhält.

Bei G.T.H hat sich eine Tradition aus einer anderen Zeit gehalten. „Wir haben teilweise eine familieninterne Nachfolgeregelung“, sagt Geschäftsführer Torsten Gloe. Es sei schwierig, Außenstehenden zu vermitteln, was am Getreideumschlag interessant ist. „Getreide ist eine Ware, die einer besonderen Behandlung bedarf“, sagt Gloe. Das Bewusstsein dafür und die Identifikation damit lasse sich von Generation zu Generation übertragen.

Mit der Zunahme des Containerverkehrs wächst allerdings der Anteil an Massengut, der in Containern transportiert wird. Spitzenwerte erreichen Ölfrüchte und Baustoffe mit sieben und 14 Prozent. Es sei billiger, Container, die sonst leer nach Fernost zurückgehen würden, mit Massengut zu füllen, statt Schiffsbäuche vollzupumpen, sagt Hans Georg Morysse vom Düngelmitte-Verlader KTG. In sechs bis zehn Minuten lässt sich ein Container mit 26 Tonnen füllen. Bei Gütern, die nicht verschmutzt oder vermischt werden sollen, bietet sich ohnehin der Blechkistenumschlag an. So kommt das Latex, das die Tanklagerfirma Vopak am Reiherstieg abpumpt, zum größten Teil aus Containern.

Vopak hält rund 270 Tanks in Größen von 50 bis 25.000 Kubikmetern vor. Letztere stehen auf der Hohen Schaar und dienen der nationalen Sicherheit. Hier bunkert ein Teil des Erdöls, das Deutschland 90 Tage lang versorgen soll, wenn die Araber oder Russen den Ölhahn zudrehen.