: Länger arbeiten hilft – aber nicht überall
Deutschlands Politiker streiten schon wieder um die 40-Stunden-Woche. Die Ökonomen wundern sich. Denn mehr zu arbeiten bringt nur dem Vorteile, der auch mehr verkaufen kann. Wer seine Produkte nicht loswird, dem hilft auch keine Nachtarbeit
VON ANTJE SIRLESCHTOV
Von der aktuellen Debatte zur generellen Verlängerung der Arbeitszeit in Deutschland halten Deutschlands Ökonomen prinzipiell nicht viel. Nach Einschätzung des Hamburgischen Welt- Wirtschafts-Archivs (HWWA) ist die deutschlandweite 40-Stunden-Arbeitswoche kein Allheilmittel für die Rückkehr zu Wachstum und Beschäftigung. „Unternehmen wie die Telekom haben die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter reduziert, weil sie ihre Produktion gar nicht absetzen können“, sagte der HWWA-Arbeitsmarktexperte Jörg Hinze am Montag in Hamburg.
„Umgekehrt ist eine Ausweitung der Arbeitszeit nur sinnvoll, wenn sich die Mehrproduktion auch absetzen lässt.“ Die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich sei für Unternehmen zu empfehlen, die gleichzeitig zusätzliche Absatzmöglichkeiten und Kostenprobleme hätten. „Das dürften nicht so viele sein“, sagte Hinze.
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI/Essen) hat eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche zwar als „tendenziell sinnvolle Maßnahme“ begrüßt. „Wir erwarten zumindest keine negativen Beschäftigungseffekte“, sagte RWI-Experte Thomas Bauer. Während die Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung mittlerweile ziemlich genau bekannt seien, existierten jedoch noch keine genauen Daten für die Effekte einer Arbeitszeitverlängerung. „Wir haben noch keine Erfahrungen, was genau passiert, wenn man die Arbeitszeit verlängert“, so der Forscher. Eine Anhebung der generellen Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden hätte derzeit kaum positive Effekte auf den deutschen Arbeitsmarkt.
Die meisten Arbeitsmarktexperten, wie Herbert Buscher vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), halten allerdings eine Flexibilisierung für notwendig, um auf die schwankende Nachfrage zu reagieren. „In diese Richtung gehen auch die jüngsten Haustarifabschlüsse etwa bei Siemens oder DaimlerChrysler“, sagte Buscher. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) sieht das so. Drei Viertel der Betriebe würden bei einer Arbeitszeitverlängerung um zwei Stunden ohne Lohnausgleich etwa gleich viel Personal beschäftigen wie vorher. Die Debatte über eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit, die am Wochenende erneut angestoßen wurde, krankt bereits am Datenmaterial, beklagen die Experten. So weist das IAB darauf hin, dass die tatsächlich geleistete – effektive – Wochenarbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers im Schnitt 39,9 Stunden beträgt. Das ist nur minimal weniger als der EU-Durchschnitt von 40,0 Stunden. Die tarifliche Wochenarbeitszeit liegt im Schnitt bei 37,8 Stunden, variiert aber stark nach Wirtschaftszweigen.(mit dpa, rtr)