Strom auf der Wachstumsschiene

Umweltverbände warnen vor einer neuen Elbvertiefung. Noch sei unklar, welche Folgen der jüngste Ausbau gehabt habe. BUND erkennt vergrößertes Sauerstoffloch. WWF verlangt strategische Umweltprüfung

von Gernot Knödler

Knapp fünf Jahre, nachdem die auf das heutige Niveau vertiefte Fahrrinne freigegeben wurde, laufen die Planungen für die nächste Elbvertiefung auf Hochtouren. Zum gestrigen Erörterungstermin im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung kritisierten mehrere Umweltverbände die neuen Pläne zumindest als verfrüht, wenn nicht als grundfalsch. Die Auswirkungen der letzten Elbvertiefung seien nicht einmal abschließend dokumentiert, bemängelte der Nabu Niedersachsen. Da sei es unverantwortlich, bereits die nächste vorzubereiten. „Mit einer derartigen Salamitaktik geht die Elbe den Bach hinunter“, schimpfte der Nabu-Landeschef Hans-Jörg Helm.

Nach Ansicht des WWF müssen bei der Bewertung des neuen Plans auch die früheren Elbvertiefungen einbezogen werden. „Bisher wird für jede neue Vertiefung jeweils der schon stark vorgeschädigte aktuelle Zustand des Ökosystems als Bewertungsgrundlage herangezogen“, sagte WWF-Experte Uwe Johannsen. „Dadurch erscheinen die Auswirkungen der einzelnen Ausbaumaßnahme gering.“

Der Verband forderte eine strategische Umweltprüfung aller Hafen- und sonstiger Infrastrukturprojekte in Norddeutschland, bei der auch die vorgesehene Vertiefung der Außenweser und der geplante Tiefwasserhafen bei Wilhelmshaven berücksichtigt werden müssten. „Obwohl seit Juni 2004 die EU-Richtlinie zur strategischen Umweltprüfung unmittelbar wirksam ist, ist eine solche Prüfung bisher nicht vorgesehen“, monierte Johannsen. Die Bedarfsbegründung berücksichtige die Pläne für die Weser und Wilhelmshaven nicht genügend.

Der BUND Hamburg setzte sich unterdessen kritisch mit dem Beweissicherungsbericht zur jüngsten Elbvertiefung auseinander. Eine Auswertung der Sauerstoffdaten der Messstation Seemannshöft unweit des Köhlbrands lege einen engen Zusammenhang zwischen den sporadisch auftretenden Sauerstofflöchern im Strom und der Vertiefung nahe. Demnach ist die Zahl der Tage, an denen der dort gemessene Sauerstoffgehalt unter den für Fische kritischen Wert von drei Milligramm pro Liter gefallen ist, nach 1999 stark angestiegen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung war in ihrem Beweissicherungsbericht zu einer anderen Bewertung gekommen: „Signifikante ausbaubedingte Wirkungen der Ausbaumaßnahme auf das Sauerstoffregime sind nicht erkennbar.“ Der Beweissicherungsbericht schließt bisher nur drei Jahre nach der Vertiefung ein, erfasst aber ein breites Spektrum an Vorgängen und Daten. Der BUND verlangte, unabhängige Sachverständige heranzuziehen.