: Schere im Kopf?
Literaturhäuser uneins über in Hamburg avisierte Personalunion von Programm- und Geschäftsleitung
Es gab genau den Aufschrei, den man hatte vermeiden wollen: „Die Pressemitteilung über die Ablösung Ursula Kellers als Programmleiterin des Literaturhauses war sicher etwas dürr“, räumt Matthias Wegner, Vorsitzender des Literaturhaus-Vereins, ein. Urplötzlich hatte der am 7. November verkündet, dass Hoffmann&Campe-Verlagsleiter Rainer Moritz Ursula Keller ab 2005 beerben werde.
Zur Entscheidung, Kellers Vertrag nicht zu verlängern, steht Wegner aber nach wie vor: „Schon länger war angedacht, die programmatische und die kaufmännische Leitung zusammenzulegen, und dafür scheint uns Moritz der richtige Mann.“ In aller Stille hatte der Vorstand den Wechsel vorbereitet, was Spekulationen über die Gründe dieser strukturellen Veränderung ausgelöst hatte. Denn es macht einen Unterschied, ob der Programmleiter schon bei der Planung – Stichwort „Schere im Kopf“ – auf die Finanzen schauen muss oder ob er dies nicht immer zwanghaft mitdenkt.
„Von der Arbeitsökonomie her bietet die Teilung dieser Bereiche, wie sie bei uns praktiziert wird, große Vorteile“, sagt Thomas Böhm, Programmleiter des Kölner Literaturhauses. „Und man kann nicht ausschließen, dass die programmatische Arbeit unter der Doppelbelastung leiden könnte. Aber es kommt natürlich auf die individuellen Verhältnisse an.“
„Wenn man sich versteht, funktioniert die Trennung der Zuständigkeiten tadellos“, bestätigt Programmleiterin Maria Gazzetti vom Literaturhaus Frankfurt, das zwei Drittel seiner Gelder – wie Hamburg – durch Vermietungen einspielen muss. Reinhard Wittmann, kaufmännischer und programmatischer Leiter des Münchner Literaturhauses wiederum plädiert für die Personalunion: „Man kann freier entscheiden, wenn man nicht ständig beim Geschäftsführer betteln muss.“
So sieht es auch Rainer Moritz: „Die kaufmännische Leitung eines Literaturhauses ist keine so große Aufgabe wie etwa die eines Verlags, die ich mir natürlich nie zutrauen würde.“ Außerdem soll er eine kaufmännische Mitarbeiterin bekommen, sodass ihm genug Zeit für Programmatisches bleibt: „Letztlich wird sich mein Programm nicht wesentlich von dem Ursula Kellers unterscheiden. Unterstellungen, dass ab 2005 nur noch Massenware präsentiert wird, sind unsinnig.“
Bleibt die Frage nach der Mitbestimmung der Literaturhausvereins-Mitglieder bei der Zusammenlegung der beiden Posten. Die Satzung äußert sich nur vage: „In allen Angelegenheiten von besonderer Bedeutung muss der Vorstand eine Beschlussfassung der Mitgliederversammlung herbeiführen“, heißt es dort. Und auch wenn der Vorstand dies – in einem offenen Brief von den Mitgliedern gefordert – zunächst weit von sich gewiesen hatte, hat man sich jetzt doch besonnen: Für Mitte Januar wurde eine außerordentliche Mitgliederversammlung anberaumt.
PETRA SCHELLEN