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Archiv-Artikel

Ohne Schule wird es öde

Der Senat schließt Dutzende Schulen: Billstedt-Horn trifft es mit fünf Lehrstätten härter als alle anderen Stadtteile. Eltern, Schüler und Lehrer kämpfen jetzt um die Identität ihres Viertels. Bezirkschef fürchtet um sozialen Frieden

von Kaija Kutter

In der Analyse zur Schulstandortplanung steht ein ungeheurer Satz: „Die Gymnasialnachfrage wird voraussichtlich etwas zurückgehen“, wird der Region Billstedt-Horn bis ins Jahr 2015 prophezeit. Obwohl die Zahl der ABC-Schützen bis dahin von 3.516 auf fast 4.000 steigt.

Die Prognose soll herhalten, um in dem migrantenstarken Stadtteil Horn das einzige Gymnasium „St. Georg“ zu schließen. Ob die Behördenplaner da schon von Mehmet Karabulu und seinem „Elternbund Hamburg Ost“ wussten?

Hausaufgabenhilfe und Förderunterricht für Migrantenkinder in Zweier- und Dreiergruppen will der 40 Mitglieder starke Elternbund organisieren, damit mehr Kinder einen höheren Bildungserfolg erzielen. Das Angebot machen ältere und ehemalige Gymnasiasten. Bisher würden jene Intellektuellen, die einen höheren Bildungserfolg erringen, „den Stadtteil verlassen“, berichtet Karabulu vom Elternbund. Weil es anders als in Altona weder Kinos noch Theater noch nette Kneipen gibt. „Dadurch werden wir geistig immer ärmer“, so Karabulu. „Wir wollen dagegen unsere geistigen Kräfte mobilisieren.“

Nicht nur das Gymnasium St. Georg, jede der Schulen, die in Billstedt-Horn geschlossen werden soll, „ist aus sozialräumlichen Gründen unverzichtbar“, sagt Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber. Horn sei das größte Gebiet der sozialen Stadtentwicklung. „Wir investieren da Millionen, um stabile soziale Verhältnisse zu haben.“ Dies würde nun durch die Einsparung von 700.000 Euro bei den Schulen „kaputt gemacht“.

Ein Musterbeispiel dafür ist die Schule Fuchsbergredder in der 70er-Jahre-Siedlung Dringsheide. „Nie wieder so etwas!“ hat Schulleiterin Heidrun Michau-Reichmann auf einem Stoß alter Zeitungsartikel aus den 90ern notiert. Damals lieferten sich Jugendgangs ihre Kämpfe in der verwahrlosten Einkaufszone.

Heute steht hier ein neues schönes Einkaufzentrum mit Geschäften für den täglichen Bedarf. Und nördlich der Siedlung wurden und werden noch Doppelhäuser für junge Familien gebaut, die mit ihrem Zuzug das Viertel sozial stabilisierten. Die Behörde will Fuchsbergredder schließen und die Doppelhaus-Kinder in eine Schule jenseits der Autobahn A24 schicken. Die Kinder der alten Siedlung müssten über den vierspurigen Schiffbecker Weg nach Horn. „Damit wird hier das Lebenszentrum geteilt“, sagt Michau-Riechmann. „Der Stadtteil wird veröden.“

Erfolgreich, aber gefährdet ist auch die Ganztagsschule Hermannstal im Herzen von Horn. „Obwohl wir eine sehr gute Pädagogik machen, wie eine externe Evaluation ergab“, erklärt Schulleiterin Silke Breuer. Die 280 Schüler der integrierten Haupt- und Realschule (IHR) werden mit dem von der Zeit-Stiftung geförderten „Lernwerk“-Projekt bestmöglich auf den Übergang in die Berufsausbildung vorbereitet. Dazu gehörten Stärkenprofil eines jeden Schülers, Praktika ab der Klasse Sieben und die Einbeziehung von Meistern in den Unterricht, die mit den Schüler etwa Computer bauen.

Sollte die Schule schließen, müssten ab Sommer 2005 die jetzigen 6. Klassen die Schule verlassen und ein Jahr später die übrigen. „Die Schüler sind sehr aufgeregt“, so Breuer. Sie fürchtet, dass ihre Schüler an großen HR-Schulen nicht klarkommen.

Diese HR-Schulen müssen dreizügig sein, so die Vorgabe der Behörde. Eine Hürde, die auch die IHR-Schule Oststeinbecker Weg nahe der Sonnenland-Siedlung verfehlt. „Wenn es Kriterien gibt, die zu Schließungen führen, hat unser Standort die schlechtesten Karten“, erklärt Schulleiter Hendrik Wolter. Kämpferische Appelle hört man von dieser Schule nicht mehr.