: Ein konservativer Scharfmacher geht
Vor George W. Bushs zweiter Amtszeit: Der konservative Justizminister John Ashcroft, Architekt und Sprachrohr verschärfter Einschränkungen der Bürgerrechte, erklärt als erstes Kabinettsmitglied seinen Rückzug aus der neuen US-Regierung
AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK
US-Justizminister John Ashcroft hat als erstes Regierungsmitglied nach der Wiederwahl von Präsident Bush seinen Hut genommen. Der Schritt des 62-Jährigen kam nicht überraschend. Längst war in der US-Hauptstadt durchgesickert, dass er amtsmüde und gesundheitlich angeschlagen sei.
Mit Ashcroft scheidet die vielleicht umstrittenste und polarisierendste Figur im Bush-Kabinett aus – nur Pentagonchef Donald Rumsfeld käme für diese Auszeichnung noch in Frage. Ashcrofts Anhänger sahen in ihm einen unnachgiebigen Kämpfer gegen Terrorismus, der das Justizministerium wirkungsvoll umbaute, um eine Wiederholung des 11. September zu verhindern. Für seine zahlreichen Kritiker hingegen symbolisierte er jemanden, der Bürgerrechte einem übertriebenen Sicherheitswahn opferte.
Der erzkonservative und tief religiöse Ashcroft war jedoch bereits vor den Terroranschlägen auf New York und Washington Zielscheibe des liberalen Amerika. In seinen Augen galt er als Bushs Verneigung vor der christlichen Rechten, dessen nur allzu pflichtbewusster Advokat er wurde. Er setzte sich für die Ausweitung der Todesstrafe ein, kämpfte gegen Internet-Pornografie und suchte die Bestimmungen zum Waffenbesitz zu lockern. Sein Name wird jedoch vor allem als harter Arm des Gesetzes bei der Bekämpfung des Terrorismus in die Geschichtsbücher eingehen.
Nach dem 11. September setzte er im Kongress den „Patriot Act“ durch, jenes weitreichende und äußerst kontroverse Gesetzeswerk, das unter anderem die Rechte zum Abhören von Telefonaten und Lesen privater Post ausdehnte, die unbegrenzte Inhaftierung „verdächtiger“ Personen aus dem Ausland ermöglichte und Einwanderungsbestimmungen verschärfte.
Unter seiner Regie wurden tausende muslimische Einwanderer und US-Bürger verhört und zum Teil monatelang interniert, ohne Anklage und Chance, einen Anwalt zu konsultieren. Auch das an Stasi-Methoden erinnernde „TIPS-Program“, mit dem hunderttausende Handwerker, Postboten und Lkw-Fahrer zu Spitzeln im Nebenberuf gemacht werden sollten, trug seine Handschrift – eine Idee, die jedoch nach dem einzig erfolgreichen öffentlichen Aufschrei in den USA seit dem 11. September wieder begraben wurde.
Ashcrofts Gesicht dürfte keinem US-amerikanischen Haushalt mehr fremd sein. Wie kaum ein Vorgänger trat er vor die Kameras, verkündete dubiose Erfolge bei der Aushebung von Terrorzellen, Sicherheitsstufen und undurchsichtige Terrorwarnungen „Code Orange“. Dabei, so Kritiker, verwirrte er die Öffentlichkeit oft mehr, als er sie beruhigte.
Als Nachfolger Ashcrofts sind zwei Namen im Gespräch: Larry Thomson, Ashcrofts früherer Stellvertreter, wäre der erste Afroamerikaner auf dem Posten. Er gilt als moderater Politiker. Seine Berufung würde als Signal Bushs zur überparteilichen Zusammenarbeit an die Opposition gewertet – laut Washington Post hat er aber Desinteresse signalisiert. Ebenso gehandelt wird Alberto Gonzales. Der aus einer armen Einwandererfamilie stammende Gonzales, Bush-Freund aus Texas und derzeitige juristische Berater des Präsidenten, ist bei Bürgerrechtlern nicht weniger unbeliebt als Ashcroft. Gonzales’ Feder entstammen mehrere Rechtsgutachten über die Zulässigkeit von Verhörpraktiken, die im Zusammenhang mit dem Abu-Ghraib-Skandal bekannt wurden. Er urteilte, die Beachtung der Genfer Konventionen sei im Kampf gegen den Terror nicht anzuwenden.