piwik no script img

Archiv-Artikel

„Gleisblockaden nicht ausschließen“

Nach dem Tod eines Atomzug-Blockierers mahnt Jürgen Sattari aber zu größter Vorsicht. Der Sprecher der Umweltorganisation Robin Wood: „Auf vielen Strecken verbietet sich das Anketten von selbst.“ Besonders dort, wo die Züge schnell fahren

INTERVIEW JÜRGEN VOGES

taz: Robin Wood hat oft Atommülltransporte durch Anketten im Gleisbett blockiert. Welche Konsequenzen müssen Castor-Gegner aus dem Unfall am Sonntag in Frankreich ziehen, bei dem ein Schienenblockierer getötet wurde?

Jürgen Sattari: Robin Wood hat schon immer genau geprüft, ob Aktionen sinnvoll, durchführbar und vor allem für unsere Aktivisten sicher sind. Wir haben Gefahren minimiert und große Vorsicht walten lassen. Bei unseren Aktionen ist bislang niemand etwas passiert, auch wenn man Unglücke letztlich doch nie ausschließen kann.

Robin Wood hat einst einen Castor-Transport zwischen Lüneburg und Dannenberg zum Stehen gebracht. Sind andere Bahnstrecken gefährlicher?

Es gibt da schon große Unterschiede. Das Gleis zwischen Lüneburg und Dannenberg wird stets für die Castor-Transporte nach Gorleben reserviert. Da fahren dann keine anderen Züge, die normalen Personenzüge werden durch Busse ersetzt. Die Gefahren durch andere Züge, die es auf jeder normalen Zugstrecke gibt, entfallen deswegen. Zudem wird dieser Abschnitt beim Transport durch ein Großaufgebot Polizei beobachtet und abgesichert und der Zug fährt dort immer relativ langsam. Das ist nicht vergleichbar mit normalen Transportstrecken, wo auch der Castor-Zug im Schnitt Tempo 80 fährt. Aktionen hinter Lüneburg sind anders zu bewerten als an der übrigen Strecke zwischen La Hague und Gorleben.

Robin Wood hält es offenbar für zu gefährlich, wenn sich Demonstranten an Schienen mit normalem Personen- oder Güterverkehr anketten.

Eine solche Aktion will zumindest sehr gut überlegt sein. Auf vielen Strecken verbietet sich das Anketten von selbst. Ich will aber nicht für immer ausschließen, dass wir irgendwann auch an einer normal befahrenen Strecke eine Aktion machen. Zu jeder Aktion gehört eine sehr sorgfältige Analyse des Potenzials an Gefahren, die es natürlich auch an der Strecke Lüneburg–Dannenberg gibt. Wichtig ist bei allen Aktionen, dass man sich nicht in die Hände Dritter begibt. Man kann und darf sich etwa nicht darauf verlassen, dass die begleitende Polizei den Lokführer rechtzeitig warnt. Man muss selbst rechtzeitig auf den Lokführer einwirken können.

Muss man als professionelle Protestorganisation wie Robin Wood nicht damit rechnen, dass unerfahrene Menschen die Aktionen nachahmen?

Auch bei Robin Wood machen junge Menschen Aktionen, die nicht älter sind als die, die in Frankreich auf den Schienen waren. Über die Erfahrung der AKW-Gegner in Lothringen maße ich mir kein Urteil an, ich kenne die Gruppe und die Umstände nicht. Auch bei einer professionellen Organisation wie Robin Wood ändern sich im Übrigen ständig die handelnden Personen. Zudem ist das erforderliche Erfahrungspotenzial in der ganzen Bewegung da. Wir haben die Erfahrungen, die wir gemacht haben, stets weitergegeben. Niemand lässt sich leichtsinnig ohne wochenlange organisatorische Vorbereitung auf eine solche Ankettaktion ein. Wir werden nach dem Unfall unsere Strategie demnächst grundsätzlich diskutieren und überlegen, wie wir uns noch besser vorbereiten können.