: Der etwas leisere Feind der Bürgerrechte
US-Präsident George W. Bush hat seinen Berater Alberto R. Gonzales als neuen Justizminister auserkoren
Alberto R. Gonzales wird dem zurückgetretenen John Ashcroft als neuer Justizminister der Vereinigten Staaten nachfolgen. Zwar war sein Name sofort gehandelt worden, als Ashcrofts Rücktritt bekannt wurde, doch die schnelle Nominierung nur einen Tag nach dem Abgang Ashcrofts kam denn doch überraschend.
Gonzales ist seit gut 9 Jahren ein enger Vertrauter von George W. Bush, zunächst als Berater des damaligen texanischen Gouverneurs, dann als dessen Staatssekretär, schließlich von 1999 bis 2000, ebenfalls durch Gouverneur Bush ernannt, als Richter am Obersten Gerichtshof Texas. 2001 folgte er seinem Protegé ins Weiße Haus und wurde sein wichtigster juristischer Berater.
So sind es zunächst zwei Dinge, die ihn von John Ashcroft unterscheiden: Der war mit Bush nie wirklich warm geworden, und beide wahrten, obwohl Ashcroft der wichtigste Architekt des Antiterrorkampfes nach innen war, eine gewisse Distanz. Außerdem, noch auffälliger: Gonzales ist zwar ein Konservativer, aber er ist wesentlich leiser als der stets politisch polarisierende John Ashcroft. Dessen Nominierung war 2000 vor allem ein Geschenk an die christliche Rechte, seine Nominierung im Kongress umstritten.
Nicht so Gonzales: Selbst einige demokratische Senatoren haben bereits signalisiert, ihn zwar in der Anhörung hart befragen, aber seine Ernennung nicht verhindern zu wollen. Vor allem ein Rechtsgutachten aus dem Jahr 2002, in dem Gonzales begründet, warum die Genfer Konventionen auf Al-Qaida-Kämpfer nicht anzuwenden und das strikte Folterverbot im Kampf gegen den Terror anachronistisch sei, werden ihm die Senatoren vorhalten. Ebenso seine Linie in Texas, wo er jegliches Gnadengesuch von Todeskandidaten ablehnte, wie stark auch immer die Hinweise auf deren Unschuld sein mochten.
So steht Gonzales für eine Veränderung im Stil und Kontinuität in der Sache. Und auf andere Weise als seinerzeit Ashcroft ist auch seine Nominierung ein Geschenk an die neu erstarkte christliche Rechte: Gonzales galt auch als möglicher Anwärter für einen der vermutlich bald frei werdenden Posten im Obersten Gerichtshof der USA. Dagegen aber hätten die Konservativen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln mobilisiert: Ihnen ist noch zu gut in Erinnerung, wie Gonzales als Richter in Texas – völlig gesetzeskonform – einer 17-Jährigen eine Abtreibung ohne Information an die Eltern zubilligte. Seither gilt er den Konservativen, die sich vom neu aufgestellten Obersten Gerichtshof eine Rücknahme des Abtreibungsurteils von 1973 erhoffen, als indiskutabel.
So stellt sich Gonzales für beide Seiten als kleineres Übel dar – mit dem Bush noch ein weiteres Signal setzt: Gonzales ist der erste Latino im Amt des Justizministers. Bush hatte seinen Stimmanteil bei dieser immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe auf 44 Prozent stärken können: Ein Latino an der Spitze eines Schlüsselressorts war daher erwartet worden. BERND PICKERT