: Artus aus dem Eis
Zauber- und Sachtitel liegen im Trend: Die Oldenburger Kinderbuchmesse bietet eine Mixtur aus Literatur-, Reise- und Sachbuch-Titeln
von Marijke Gerwin
Die Oldenburger Kinder- und Jugendbuchmesse wird 30, und zum Jubiläum wurde pflichtschuldigst auch gleich das Programm erweitert: An verschiedenen Orten der Oldenburger Innenstadt gaben etwa Schauspieler des Oldenburgischen Staatstheaters Passagen aus niemals veraltenden Titeln wie „Pippi Langstrumpf“ oder „Urmel aus dem Eis“ zum Besten. Insgesamt 300 Veranstaltungen flankieren in diesem Jahr die nichtkommerzielle Wandermesse, die Interessenten noch bis Dienstag besuchen können.
Von der Märchenrevue bis zur wissenschaftlichen Begleitausstellung der Oldenburger Universität zum Thema Popkultur reicht das Spektrum des Rahmenprogrammes. Derweil startet der Run auf die Bücher. Das Oldenburger Kulturzentrum PFL wurde zur öffentlichen Lesewiese erklärt, überall lümmeln Kinder und vorlesende Erwachsene. Mit Schreibzeug bewaffnet, schleichen sie durch die Gänge um sich Titel und Autoren für den nächsten Wunschzettel zu notieren. Von Bilderbüchern für die Kleinsten bis zum aufwendig gestalteten Sachbuch reicht das Angebot.
Für die Altersstufe der ab Zehnjährigen lässt sich darüber hinaus eindeutig der Trend zum Gruselbuch ausmachen. Die Titel von R.L. Stines „Gänsehaut“-Krimis aus dem Omnibusverlag zum Beispiel sind wahrlich explodiert. Daneben gibt es im gleichen Verlag das Pendant mit der Reihe „Burg Schreckenstein“ von Oliver Hassencamp – Titel, die besonders von Mädchen viel gelesen werden. Auch Hexenkräfte, die den Kindern Macht verleihen, sind – und sei es auch nur in der Fiktion, aber wissen kann man ja nie – sehr gefragt. Marliese Arnold zum Beispiel schickt ihre „Hexe Winnie“ in die Zauberschule, und Melvin Burgens ist sogar mysteriös gefangen „Im Bann der Hexenkräfte“.
Aber auch Abenteuerbücher, die in ferne Länder und alte Kulturen führen, faszinieren die Kinder dieser Altersstufe. „Felicitas‘ große Reise“ etwa führt in die Antarktis, von der die Autorin Kajsa Asklöf genaue Kenntnis hat: Sie unternimmt mit ihrem Mann und ihren Kindern große Reportagereisen in die ganze Welt. Da dies im Klassenfahrts-Programm bislang noch nicht auftaucht – von der Finanzierung ganz zu schweigen – kann man die Glücklichen wenigstens in der Phantasie dorthin begleiten. Auch Klassiker, wie die Artus-Sage, werden für die Zwölfjährigen spannend nacherzählt, ohne dass solchen Geschichten der Ruch des Veralteten anhaftete; gelungenes Beispiel: der Dreiteiler von Kevin Crossley-Holland.
Überhaupt scheinen einige Klassiker zum Dauerbrenner zu mutieren oder werden einfach – da verlässt man sich ganz auf die eingeschworene Klientel – neu ediert: Erich Kästners „Schildbürger“ – gibt es da zum Beispiel, wundervoll illustriert von Horst Lemke. Auch Christine Nöstlingers „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ trifft man hier wieder, eine schelmische Ermutigung, sich von Tyrannen nichts gefallen zu lassen, hinreißend komisch illustriert von Jutta Bauer.
Was die Bücher für größere Kinder noch bieten – die Freiheit zu phantasieren, ohne die man sie wohl kaum vom TV zum Buch locken könnte –, wird in der Literatur für die Jüngeren allerdings zunehmend zurückgefahren. Hier sind immer mehr „pädagogisch wertvolle“ Titel zu finden, leider oft überladen mit einer wie auch immer gearteten „Moral von der Geschicht‘“. Ausgerechnet die Bücher für Kinder bis zu acht Jahren brechen allerdings oft unter ihrem Anspruch, erzieherisch zu wirken, zusammen. Nur vermuten kann man hier, dass die Eltern einen Großteil all dessen selbst nicht mehr umsetzen. Die trügerische Hoffnung der Buch-Macher: Das Buch wird es richten. Zählen lernt man hier zum Beispiel, die Tür hinter sich zu schließen, Erwachsene zu begrüßen oder auch Nein zu sagen, all dies integriert in eine passend illustrierte Geschichte. Als moderner Nachfolger von Herrn Schreber – jener, der Kindern Bewegung und den Erwachsenen den Bau von Spielplätzen verordnete – eignet sich besonders das Bändchen „Upps, benimm dich“ von Ursel Scheffler und Jutta Timm, in dem eine kleiner Außerirdischer lernt, wie man als mitteleuropäischer angehender Steuerzahler zu funktionieren hat. Da möchte man dann nur noch laut rufen: Lasst endlich die Kinder in Ruhe!
noch bis 16.11. im Kulturzentrum PFL, Peterstr. 3, Oldenburg. Geöffnet Sa/So 10–19, Mo–Fr 8.30 –19 Uhr