Der Traum vom fremden Geld

Ach, zahlten doch andere für unsere Polizei, unsere Unis, unsere Museen, unsere Orchester und unsere Schulden! Der Berliner Klassiker in neuer Auflage: Diesmal will die PDS mehr Geld vom Bund

von ROBIN ALEXANDER

Berlin hat eine echte Drogenkarriere hinter sich: Die Subvention, das süße Gift, das bekanntlich krank, schwach und vor allem abhängig macht, wird seit mehr als 50 Jahren in hohen Dosen verabreicht. In Ost wie West und im vereinigten Deutschland, Berlin brauchte Stoff und die anderen lieferten.

In den 90ern versuchte es die Stadt kurz mit einer Art Substitution: Die Subventionen wurden schlagartig heruntergefahren, dafür zog die Bundesregierung an die Spree. Die Illusion, als Hauptstadt von ganz allein aller Sorgen ledig zu werden, zerstob rasch: Berlin bleibt an der ganz dicken Nadel. Die Hälfte des Haushaltes wird vom Länderfinanzausgleich aufgebracht, dazu kommt Rekordverschuldung und der Ruf nach mehr. Die Hauptstadt, lange als Lösung gehandelt, firmierte plötzlich als Problem: An den „Hauptstadtkosten“ für Polizei und Kultur müsse sich der Bund beteiligen, verkündete die große Koalition. Erst der mit Polylux und schwarzer Pädagogik bewaffnete Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) schaffte es, den Berlinern klar zu machen, dass ihr Finanzdesaster nicht daran hängt, dass bei Staatsbesuchen ab und an eine Straße gesperrt wird.

Doch der Moment der Nüchternheit währte nur kurz: Längst wird wieder an Begründungen gefeilt, wie man an das Geld anderer Leute kommen könnte. Eine Vorlage dazu lieferte die Deutsche Nationalstiftung, die vor einigen Wochen eine „Berlin-Studie“ vorstellte. Berlin sei nur „Regierungssitz“, müsse aber „Kapitale“ werden, schrieb darin Kurt Biedenkopf. Dafür trage ganz Deutschland Verantwortung. Den Ball des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten und CDU-Politikers hat nun ausgerechnet die PDS im Berliner Abgeordnetenhaus aufgenommen.

Der für seinen Fleiß bekannte Abgeordnete Marian Krüger hat gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Frank Williges auch eine Studie geschrieben: „Die Finanzierung europäischer Hauptstädte im Vergleich mit Berlin“. Die Sozialisten haben die Finanzen Berlins mit denen von Bern, Brüssel, London, Madrid, Moskau, Paris, Rom, Washington und Wien verglichen und – Überraschung! – herausgefunden, dass Berlin mehr Geld vom Bund braucht. Auf den ersten Blick geben das die erarbeiteten Vergleichszahlen nicht her. So hat Berlin den höchsten Etat aller Hauptstädte, sogar höher als das doppelt so einwohnerreiche London. Aber: „Es gibt auch eine Ballung öffentlicher Aufgaben in Berlin“, erklärt Krüger. So werden etwa in Wien Polizei und Lehrer von der Bundesrepublik Österreich bezahlt. Andere Staaten zahlen ihren Hauptstädten die Krankenhäuser. Dazu kommt: Die Wirtschaftskraft Berlins ist weit schwächer als die der ausländischen Konkurrentinnen. Krüger meint daher: „Berlin ist in weitaus größerem Maße auf Finanzierung von Hauptstadtfunktionen angewiesen als alle anderen Hauptstädte.“ Die Hauptstadtwerdung war ein Schuss in den Ofen: Nicht nur blieb der erhoffte Boom aus, „in haushaltspolitischer Hinsicht zahlen wir sogar noch drauf“.

Neidvoll blicken die Sozialisten ausgerechnet auf einen ehemaligen Regierungssitz: auf Bonn. Das rheinische Städtchen bekommt – seit es Kanzler und Beamte an Berlin verlor – als „Bundesstadt“ gezielte Förderung für Wissenschaft und Wirtschaft. Die will Krüger auch für Berlin. Außerdem soll das Stadtstaatenprivileg – nach einer Fusion mit Brandenburg obsolet – durch einen gleich wertvollen Hauptstadtzuschlag ersetzt werden. „Gesamtnationale Kulturinstitutionen“ sollen „grundsätzlich“ vom Bund teilfinanziert werden. Für öffentliche Sicherheit soll der Bund ebenfalls mitzahlen, die in Bonn verbliebenen Ministerien nach Berlin ziehen und die Berliner Beteiligung an der Finanzierung des Regierungsviertels sinken. In zwei Worten: frischer Stoff.