: Befreite Zonen ohne Genpflanzen
Bauern rufen erste gentechfreie Gebiete aus. EU-Parlametarier Graefe zu Bahringdorf fordert Volksentscheid
BERLIN taz ■ Bauern in Mecklenburg-Vorpommern schaffen die erste gentechfreie Zone: Vier Öko- und elf herkömmliche Landwirte aus den Landkreisen Bad Doberan und Güstrow haben sich darauf verständigt, auf ihren Äcker keinen Genraps, -mais oder -weizen zu säen. Es geht um eine Fläche von 10.000 Hektar. Das gab Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft gestern bekannt. Der Bioverband hatte zur Tagung „Wenn das Gentechnik-Moratorium fällt – wie handelt die Lebensmittelwirtschaft?“ nach Berlin geladen. Weitere befreite Zonen würden folgen, kündigte zu Löwenstein an.
Seit fünf Jahren gilt in der Europäischen Union ein Anbau-Moratorium für gentechnisch veränderte Pflanzen. Das will die EU-Kommission nun so schnell wie möglich kippen. Noch ist allerdings strittig, ab welchem Grenzwert Saatgut als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden muss. Wegen dieser Schwierigkeit falle das Moratorium dieses Jahr nicht mehr, aber im nächsten sicher, sagte der grüne EU-Parlamentarier Friedrich Wilhelm Graefe zu Bahringdorf.
„Es geht nicht mehr um das grundsätzliche Dafür oder Dagegen“, sagt zu Löwenstein. Doch jeder müsse frei wählen dürfen. Eine Position, die auch die grüne Verbraucherministerin Renate Künast vertritt. Sie arbeitet an einer Neufassung des Gentechnikgesetzes. Dieses sei freilich „stecken geblieben. Es liegt zur Zeit beim Kanzler“, sagt zu Löwenstein. Die Auflagen, die Künast Genbauern machen wollte, waren Wirtschafts- und Forschungsministerium zu streng. „Wir haben nun Angst, dass die Gentechnik ohne Regeln kommt“, sagt Löwenstein. Der Verband werde in den nächsten Tagen selbst einen Verordnungsentwurf vorlegen – um die Diskussion voranzutreiben.
Die größten Hoffnungen setzen zu Löwenstein und Graefe zu Bahringdorf aber offenbar in die Verbraucher. Jürgen Hampel von der Stuttgarter Akademie für Technikfolgenabschätzung erklärt: „Mehr als 60 Prozent der Deutschen sehen einfach keinen Nutzen in der Gentechnik.“
Graefe zu Bahringdorf forderte gestern denn auch einen Volksentscheid in den Ländern der Europäischen Union, ob Gentechnik eingführt werden soll. Eine derart epochale Wandlung in der Lebensmittelproduktion dürfe nicht allein der politischen Verwaltung überlassen bleiben. Allein: Derzeit gibt es noch keine europaweiten Volksentscheide. Und in Deutschland müsste dafür das Grundgesetz geändert werden. HANNA GERSMANN