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Archiv-Artikel

Anarchie und Alltag

Nonsens und hessischer Dialekt, der nicht nur den großen Hessenecken im Publikum gefällt: Badesalz waren mit ihrem Comedymärchen „Das Baby mit dem Goldzahn“ zu Gast in der UdK

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Comedy ist ein schreckliches Wort, denkt man dabei an RTL, an Ruhrpottfiguren, „Genial daneben“ und „Sieben Tage“, an Bullyparaden und Spaceshipfilme. Zur Ehrenrettung des Genres und seiner Künstler bleiben nur Helge Schneider und eben Badesalz, das Hessenduo. Henni Nachtsheim und Gerd Knebel waren zuerst als Musiker mit den Bands Flatsch und Rodgau Monotones unterwegs, der Rodgau-Hit „Erbarme, zu spät, die Hesse komme!“ war dabei sogar bundesweit bekannt.

Mit Badesalz-Bonmots und Sketchen könnte man die Strecke Berlin–Frankfurt locker überbrücken. Ein Griff an den Bizeps und ein wichtiges „Wenn im Mai die Schwimmbäder wieder uffmache, muss des alles ausdefiniert sein“, die Standardantwort „Dabrauchemergarnitdrübberredde“ gehören zur Grundausstattung. Als Badesalzfan der ersten Stunde qualifiziert sich, wer auf eine naive Frage genervt mit „Bub, du bisch jetzt 42 Jahr und Elektroingenieur“ antwortet.

„Nicht ohne meinen Pappa“, das Debütalbum von Badesalz, war Anfang der 90er-Jahre die erste Sprechplatte, die seit Otto Waalkes in die Charts kam und Gold erhielt, und so wie man sich in den 70ern auf dem Schulhof gerne Otto-Platten gegenseitig nacherzählte wird heute, laut Fanpage, Badesalz gern auf Klassenfahrten gehört.

Der Zauber des Dialekts kann sich durchaus auch Nichthessen erschließen. Wer allerdings zuerst Badesalz hört und danach einmal im Rhein-Main-Kreis unterwegs ist, wird bestürzt bemerken, dass die Menschen dort wirklich so sprechen.

Badesalz-Sketche spielen das Alltägliche leicht überzeichnet nach, ihre Gags leben von der Liebe zum Objekt und von genauen Beobachtungen. Dabei lauern aber immer das Böse und der Wahnsinn hinter dem dumpfen Alltag. Der Ritschi und der Headbänga, beide Heavy-Metal-Rocker und Biker, sind zwei Grundcharaktere, dazu kommen noch dominante Muttis, halbkriminelle Söhne und verbitterte Rentner. Spätestens nach dem Kinofilm „Abbuzze“ 1996 wurde das Duo einem größeren Publikum bekannt: Badesalz machen Klamauk, aber auch philosophisches absurdes Theater; bei ihnen steckt im größten Quatsch noch ein Hintersinn.

„Hammersbald“ und „Du packst es Jutta“ heißen die letzten CDs, nun ist ein neues Werk erschienen: „Das Baby mit dem Goldzahn“. Dabei haben sie das Feld der Typenzeichnung und Alltagsbeobachtung verlassen und sich an ein fiktionales Genre gemacht. „Das Baby mit dem Goldzahn“ soll ein Comedymärchen sein. Das Duo hat sich für das personenreiche Stück zwei Kollegen aus alten Tagen dazugeholt. Olaf Mill und Udo Schöbel haben geholfen, das personenreiche Stück auf die Bühne zu bringen.

Die Tournee zur CD ist im hessischen Einzugsgebiet fast überall ausverkauft, der Saal der Udk ist am Samstagabend gut gefüllt, aus großen Hessenecken im Publikum tönt lauter Jubel bei lokalen Anspielungen. Die Story ist nebensächlich: Man schreibt das Jahr 2048, Deutschland wird vom bösen Herrscher Rado regiert, es herrscht Schlagerverbot, Universitäten sind zu Tattooshops umgerüstet worden. Die kleine Lea, dargestellt von einem 120-Kilo-Riesen, macht sich auf den Weg, um das Baby mit dem Goldzahn zu suchen, denn nur das Baby kann die Schreckensherrschaft beenden.

Die Märchenhandlung dient als grobes Gerüst, die Szenen werden mit dem Holzhammer eingebaut. Lea findet Freunde im Wald und im Schlageruntergrund. In Gefangenschaft geraten, wird sie von der Handkäsfee mit dem magischen Bembel befreit, es gibt ein Happy End.

Der fiktionale Charakter nimmt den Szenen einiges an Witz und Tempo. Wirklich lustig wird es, wenn das Badesalz-Urduo auf der Bühne zusammentrifft, wenn die beiden als martialische Schlagerpolizei nach verdächtigen Refrains suchen und mittendrin die vertrauten Charaktere von Ritschi und Headbänga durchscheinen. Oder wenn die Familienidylle mit Vati und Mutti in einem hysterischen „Isch hab dich doch lieb“-Schreiwettbewerb eskaliert.

Einzelne Sketche, wie der von Walter Potter, der seinem Cousin Harry den Zauberstab geklaut hat, oder der Auftritt der Heavy-Metal-Band mit Haarpropeller und zuckender Zunge zum Gitarrensolo sind sehr lustig, passen aber bloß mit Mühe und Not in die Märchenrahmenhandlung . Noch schöner wäre es gewesen, Badesalz hätten auf das Märchen verzichtet und einfach wieder ihre alten und neuen Sketche gespielt. Aber Comedians sind eben auch Menschen und empfindsame Künstler, die nicht immer nur das alte Erprobte vorführen wollen.