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Archiv-Artikel

Vom Kunden zum Image-Risiko

Der einstige Hoffnungsträger Florian Gerster wird immer mehr zum hoffnungslosen Fall. Morgen tritt er vor den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

„Ich kann davon ausgehen, dass ich seinen Rückhalt habe“

VON U. HERRMANN UND A. SPANNBAUER

Seine Berufung galt als Befreiungsschlag, verkündet von Gerhard Schröder persönlich: Florian Gerster sollte aus der schwerfälligen Bundesanstalt für Arbeit (BA) ein „modernes, kundenorientiertes Unternehmen“ machen. Doch nun ist der einstige Hoffnungsträger zum fast schon hoffnungslosen Fall geworden. Selbst die Kommunikationsagentur WMP Eurocom, die eigentlich das öffentliche Bild der BA aufpolieren sollte, betrachtet Gerster inzwischen augenscheinlich als Risiko für ihr eigenes Image. Der Medienberater und WMP-Vorstand Bernd Schiphorst teilte gestern mit, er sei bereit, sich aus dem umstrittenen Vertrag zurückziehen.

Gerster hatte WMP für 1,3 Millionen Euro mit dem Entwurf einer umfassenden Kommunikationsstrategie beauftragt – und dabei auf eine öffentliche Ausschreibung verzichtet. Seit Tagen steht der ehemalige Oberstleutnant deswegen unter Beschuss. Nun begibt sich der angegriffene BA-Chef auf den Rückzug. Er werde mit Schiphorst über eine „einvernehmliche Auflösung des Vertrages“ sprechen, bestätigte der sichtlich wütende Gerster gestern.

Er sieht in den Vorwürfen „zum Teil Gerüchte, zum Teil verzerrte Tatsachen“. Es handele sich um eine „Kampagne“, einen „empörenden“ Versuch, ihn und seine Umgebung zu beschädigen, zürnte der ehemalige rheinland-pfälzische Sozialminister mit SPD-Parteibuch – und verweigerte prompt weitere Auskünfte.

Der CSU aber reicht die Auflösung des Vertrages längst nicht mehr. „Gerster muss zurücktreten“, forderte Generalsekretär Markus Söder. Der BA-Chef zeige „überhaupt kein Schuldbewusstsein“. Mit seiner „Serie von Skandalen“ demotiviere er die Mitarbeiter.

Tatsächlich war schon in der Vergangenheit aus dem Retter ein Unruhestifter geworden. Bereits zu seinem Einstand als Behördenchef dachte Gerster laut darüber nach, das Personal der BA um die Hälfte zu reduzieren – und zog sich damit den Unmut seiner Untergebenen zu. Dann machte er sich mit dem Vorschlag unbeliebt, „die Bezugsdauer das Arbeitslosengeldes für Ältere stufenweise zu reduzieren“ – während er selbst seine Bezüge auf 250.000 Euro im Jahr erhöhte und damit rund doppelt so viel kassiert wie sein Vorgänger. Auch die Mittel für Bewirtungen hat Gerster nach Angaben der Rheinischen Post um 76 Prozent erhöht. Gerster konterte, die tatsächlichen Ausgaben würden weit unter der bewilligten Grenze liegen. Die BA sei „extrem sparsam“ mit dem Geld umgegangen.

Beim Kanzler soll Gerster an Rückhalt verloren haben, seit er im Wahlkampf 2002 die Hartz-Vorschläge als unzureichend abqualifizierte. In der BA stößt der Führungsstil des Diplompsychologen zudem oft auf schroffe Ablehnung. Allerdings stellte sich der BA-Personalratsvorsitzende gestern indirekt vor seinen Chef. Eberhard Einsiedel hält die Kritik an Gerster auch für eine Kampagne, um die Arbeitmarktreformen insgesamt zu beschädigen. „Dahinter steckt klares politisches Kalkül“ – der Opposition, wie diese Worte unschwer zu interpretieren waren.

Entschieden ist das politische Schicksal Gersters bisher nicht. Die DGB-Vizevorsitzende Ursula Engelen-Kefer, die auch im Präsidium des BA-Verwaltungsrats sitzt, wollte sich gestern nicht öffentlich zur Personalie Gerster äußern. Der Verwaltungsrat werde sich „noch genauer über Konsequenzen verständigen“, sagte sie. Zunächst sei, so ist aus dem Gremium zu hören, „überhaupt erst mal Transparenz herzustellen“. Noch immer weiß auch der Verwaltungsrat nicht viel darüber, wie der Gesamtetat für die Kommunikationskampagne von 25 Millionen Euro vergeben wurde. Nun wartet man darauf, dass Gerster seine Zusage einhält, „zeitnah“ alle Unterlagen vorzulegen. Dazu soll auch der Vertrag mit WMP gehören. Zudem überprüft der Bundesrechnungshof den Öffentlichkeitsetat. „Sorgfältig“, wie ein Sprecher versicherte. Daher konnte er nicht sagen, wann ein Ergebnis vorliegt.

Gerster selbst griff in den letzten 48 Stunden gleich zweimal zum Telefonhörer, um sich der Unterstützung von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement zu versichern. „Ich kann davon ausgehen, dass ich seinen Rückhalt habe“, fasste er die Gespräche zusammen. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Klaus Brandner, sagte der taz, Gerster habe „Anspruch auf politische Rückendeckung, falls sich die Höhe des Beratungshonorars als verhältnismäßig erweist“. Morgen wird sich der BA-Chef vor dem Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit rechtfertigen. Die grüne Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert erwartet sich davon, „dass wir endlich Antworten bekommen“. Zu viel sei „immer noch mit Spekulationen belegt“. Keinesfalls wolle sie die Entscheidungen Gersters „nur auf der Basis von Presseberichten bewerten“. Auch das Wirtschaftsministerium dementierte Spekulationen über eine baldige Abberufung Gersters. „Alle Meldungen über eine Ablösung sind kompletter Unsinn“, sagte eine Sprecherin. So lauteten die Erklärungen anfangs auch bei Gersters Vorgänger Bernhard Jagoda.