Wenn das Kind auf der Strecke bleibt

FAMILIENRECHT Viele Alleinerziehenden nutzen ihre Macht über die Kinder aus, um den anderen Elternteil zu verletzen. Dabei laufen auch Väter, die sich kümmern wollen, Gefahr, zum bloßen Unterhaltszahler zu werden

Viele Väter bekommen Beruf und Familie nach wie vor nicht unter einen Hut und wollen das auch gar nicht: So nehmen lediglich 13 Prozent der Papas eine Auszeit oder treten beruflich kürzer, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Dafür arbeiten aber 68 Prozent der Mütter weniger oder machen für die Kinder eine Pause im Job. Eine repräsentative Forsa-Umfrage ergab, dass jeder zweite Vater auch gar nicht kürzer treten will. Fast jeder Dritte kann sich das zwar vorstellen, schafft es aber nicht, dies auch umzusetzen. Bei den Müttern wollen nur 15 Prozent keinesfalls weniger arbeiten. Es sind vor allem finanzielle Sorgen, die Eltern von einer beruflichen Pause abhalten. – Dies bejahten 59 Prozent der Befragten. Lediglich sechs Prozent haben Angst vor einem Karriere-Aus. Mehr als jeder Fünfte musste bereits einmal wegen seines Jobs einen Urlaub absagen oder verkürzen. Fast die Hälfte der Eltern arbeitet ab und zu auch am Wochenende und mehr als jeder Dritte nimmt sich des öfteren Arbeit mit nach Hause. Überstunden machen 46 Prozent der Befragten. Fast jede dritte Mutter verbringt mehr als acht Stunden täglich mit der Kindererziehung. Im Vergleich: Nur fünf Prozent der Väter sind „Vollzeit-Papas“ – aber 28 Prozent der Väter haben schon mal den Geburtstag ihres Kindes oder dergleichen verpasst. dpa

VON GUDRUN HOLTZ

Zu seinem Sohn hat Michael Steinhoff derzeit keinen Kontakt. Drei Jahre ist es her, dass der Bremer sich scheiden ließ, der Sechsjährige lebt heute bei seiner Exfrau. Ein halbes Jahr nach der Trennung ging sie das erste Mal vor Gericht, um den Kontakt zwischen Vater und Sohn zu verhindern. Immer wieder wurde Steinhoff beschuldigt, sich dem Kind gegenüber falsch zu verhalten. Zum Teil wurden die Anschuldigungen als unbegründet abgewiesen.

Wenn sich Elternpaare trennen oder scheiden lassen, geraten Väter in Gefahr, auf den Unterhaltszahler reduziert zu werden. Der Bremer Rechtsanwalt Bruno Contur rät, innerhalb eines Scheidungsverfahrens eine Regelung des Sorgerechts, des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Umgangsrechts zu beantragen. Conturs Erfahrungen zeigen, dass Paare es oftmals versäumen, dies zu klären, weil immer noch die Auffassung besteht, es werde schon irgendwie klappen.

So wie bei Michael Steinhoff und seiner Frau. Wie immer die noch ausstehenden Entscheidungen des Gerichts ausfallen: Viele Alleinerziehende nutzen ihre Macht über die Kinder aus, um den anderen Elternteil zu verletzen. „Man könnte ganz brutal sagen, es geht oft nicht um die Kinder. Es geht häufig um die Auseinandersetzung der Eltern“, sagt der Bremer Psychoanalytiker Heiko Jelinek.

Ungelöste Konflikte zwischen Vater und Mutter brächten die Mutter dazu, den Vater verdrängen zu wollen. Und bei Gericht bekommen die Mütter häufig Rückendeckung. Laut Jelinek ist das kein Zufall: „Die Mütter können auf dem verbreiteten Klischee aufbauen, die Kinder gehörten zur Mutter. Und das wird durch Behörden und Gerichte sehr stark unterstützt.“

Heiko Jelinek leitet in Bremen eine Vätergruppe. Dort stehen sich Trennungsväter einmal in der Woche mit Rat und Tat zur Seite. In der Regel sehen sie alle ihre Kinder – doch der Kontakt ist ihnen oft zu kurz oder nicht häufig genug. Daneben gibt es immer wieder den Kampf mit den Müttern. Und das obwohl nach Jelineks Meinung die Väterforschung längst belegt hat, dass Väter für die Entwicklung ihrer Kinder genauso wichtig sind wie die Mütter. Der Vater ist wichtig für die Tochter. „Er kann ihr helfen“, so Jelinek, „ein gutes weibliches Selbstgefühl zu entwickeln, sich als Mädchen in der eigenen Weiblichkeit wohlzufühlen“.

Für Jungen spielt der männliche Part in der Erziehung ebenfalls eine wichtige Rolle. „Bei den Söhnen“, sagt der Psychoanalytiker, „ist es wichtig, sich aus der Situation des kleinen Prinzen der Mutter gegenüber zu lösen, aus dieser möglicherweise überengen Mutter-Sohn-Beziehung. Für den Jungen bedeutet der Vater eine Identifikationsfigur, stärker als für das Mädchen.“

Häufig haben die Kinder keine anderen männlichen Vorbilder, denn bis zum Grundschulalter treten oft kaum Männer in ihrem Leben auf. Spätestens im Erwachsenenalter zeigen sich die Konsequenzen. Nach Einschätzung von Jelinek ist es sogar fraglich, ob Jungen, die ohne Vater aufgewachsen sind, in späteren Partnerschaften ihre Aufgabe als verlässliche Männer richtig erfüllen können.

„Man könnte ganz brutal sagen, es geht oft nicht um die Kinder.“

Aus Jelineks Sicht machen sich viele Frauen zu wenig Gedanken darüber, „dass auch Mütter in der Pflicht sind, Jungen so zu Männern mit zu erziehen, dass sie später reife verlässliche Partner und dann eben auch wieder Väter werden.“ Wenn Frauen aus der Enttäuschung über das Beziehungsende dafür sorgen wollten, dass ihr Kind mit ihrem Expartner nichts mehr zu tun habe, sei das eine Überreaktion.

Früher wurden Männern oft pauschal Unzulänglichkeiten in der Kindererziehung zugeschrieben. „Das ist eine kollektiv akzeptierte Diskriminierung der Männer im Umgang mit den Kindern“, sagt Jelinek. Für seine Begriffe handelt es sich dabei um eine behördlich akzeptierte Schädigung des Kindeswohls. Hier würden Kinder „um ihre Vaterbeziehung betrogen“.

Die Behörden sind dafür zuständig, im Falle einer Scheidung sicherzustellen, dass die Kinder zu beiden Elternteilen guten Kontakt haben. Der Cochemer Familienrichter Jürgen Rudolph verortet das Problem im Rechtssystem, bei dem die „Sichtweise des Kindes auf der Strecke bleibt“. Der Versuch, mit rein juristischen Formeln Familienkonflikte zu lösen, ist seiner Meinung nach nicht Erfolg versprechend. Das Gericht produziere Sieger und Verlierer „und Kinder gehen dabei immer mit als Verlierer heraus“.

Rudolph ist Mitinitiator des Cochemer Modells, das gerichtlich andere Wege beschreitet. „Kinder sollen auch nach einer Trennung einen ausgewogenen Kontakt zu beiden Eltern haben können“, so der Familienrichter. Die am Verfahren beteiligten Institutionen agieren nicht als Entscheider, sondern als Moderatoren. Sie sehen ihre Aufgabe darin, Konflikte zu lösen. Ein Weg, der sich bislang bewährt hat.