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Archiv-Artikel

Globale Konzerne aus Europa

Die EU-Kommission will die Kontrolle von Firmenfusionen lockern. Kriterien schwächer

HAMBURG taz ■ Die Europäische Union will ihre Fusionskontrolle reformieren. Gestern beriet der EU-Ministerrat über einen Systemwechsel. Kritiker befürchten, dass dadurch der weiteren Konzentration in der Wirtschaft Tür und Tor geöffnet werden.

Das Thema „Fusionen“ ist in diesem Jahrtausend weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Zu Unrecht. In Deutschland produzieren die größten 100 Unternehmen immerhin zwanzig Prozent des Umsatzes, bei den Gewinnen teilen sich die Top 50 die Hälfte des ganzen Kuchens.

Ein gutes Beispiel ist der deutsche Strommarkt. Dort hatte die politisch motivierte Liberalisierung zunächst die örtlichen Monopole beseitigt. Junge Newcomer drängten auf den Markt. Diese kapitalschwachen Firmen sind heute fast vollständig in der Versenkung verschwunden und die alten Giganten, die sich durch Aufkäufe, Fusionen und Quersubventionierung mit dem Gasgeschäft zu bisher unbekannten Größen aufschwangen, haben sich die Bundesrepublik gebietsweise aufgeteilt. RWE im Westen und E.ON auf der Nord-Süd-Schiene beherrschen drei Viertel des bundesdeutschen Geschäfts, den Rest verschlingen die schwedische Vattenfall im Osten und die französische EnBW im Südwesten fast alleine.

Christian Gotthardt hält die Wirkung für „katastrophal“. Die Verbraucher hätten kaum noch Alternativen und die Preise würden 2004 erheblich steigen, erwartet der Hamburger Energieexperte. Für den freien Unternehmensberater Gotthardt ist klar: „Die Konzerne fahren jetzt die Ernte der hohen Konzentration ein.“

Die bisherige europäische Fusionskontrolle prüft ähnlich wie die deutsche bisher mit dem Kriterium „Marktbeherrschung“ und sucht nach einer „wesentlichen“ Verminderung des Wettbewerbs. Zukünftig könnte – nach amerikanisch-britisch-irischem Beispiel – nur noch der zweite, unmessbare Punkt entscheiden. Darauf läuft der vor einem Jahr von der EU-Kommission vorgelegte Reformvorschlag hinaus, über den der für Wettbewerbsfragen zuständige Ministerrat gestern zu einer politischen Verständigung kommen wollte. Die Reform könnte bereits am 1. Mai 2004 in Kraft treten.

Das Bundeskartellamt erwartet von der geplanten Amerikanisierung des Fusionsrechts keine wesentlichen Änderungen in der Praxis, dagegen hält Professor Jörg Huffschmid den Abschied von dem überprüfbaren Kriterium der Marktbeherrschung für eine „weitere Verweichlichung“. Wahrscheinlich ist genau dies das Ziel von EU-Kommissar Mario Monti, denn durch eine weitere Lockerung des EU-Fusionsrechts könnten europäische Matadore entstehen, die sich mit globalen Giganten messen können.

HERMANNUS PFEIFFER