: Schweißgerät satt
HANDWERKERIN Weg vom Klischee? In der neuen ARD-Serie „Eine für alle“ (18.50 Uhr) müssen jetzt die Frauen den Vorabend retten
VON KRISTINA PEZZEI
Abends zwischen 18 und 20 Uhr ist das konservative Weltbild im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch in Ordnung. Die Frauen der Daily Soaps arbeiten als Ärztinnen, Medienberaterinnen oder jobben in der Bar. Professorinnen? Handwerkerinnen? Chefinnen? – Fehlanzeige. „Die Milieus sind bisher sehr begrenzt“, sagt Marion Esch, wissenschaftliche Leiterin von femtec, dem Berliner Hochschulkarrierezentrum für Frauen. Bisher – denn jetzt soll Lilli Lemcke (Katharina Schubert), Schweißerin beim schwäbischen Kühlsystemehersteller Wetzmann Werke und Hauptfigur der Serie „Eine für alle – Frauen können’s besser“, die katastrophalen Vorabendquoten im Ersten nach oben treiben.
Als das mittelständische Unternehmen vom eiskalten Investor und dessen ebenso unterkühlter Assisstentin übernommen werden soll, kauft es Lilli für einen symbolischen Euro – in enger Absprache mit drei Kolleginnen und Freundinnen. Zwei davon sind ebenfalls Schweißerinnen, die andere ist Sekretärin. Aus der Fließbandarbeiterin wird eine Chefin, an der Unternehmensspitze wird aus einem Mann eine Frau: Einfach ist das für die Beschäftigten nicht und für Lilli schon gar nicht. Sie muss Privat- und Berufsleben neu austarieren und sich mit Vorurteilen der männlichen Angestellten umherschlagen. „Lilly Lemcke muss sich nicht nur damit durchsetzen, dass sie als Schweißerin jetzt auf dem Chefsessel sitzt, sondern auch, dass sie eine Frau auf dieser Position ist“, sagt Redaktionsleiterin Caren Toennissen vom Bayerischen Rundfunk.
Der Ansatz ist hehr, die ersten Folgen lassen aus frauenpolitischer Sicht indes ein Fiasko befürchten: Vor allem die jüngeren Protagonistinnen erfüllen gängige Klischees. Es geht um unerfüllte Liebe und die passenden Klamotten, um dem Sohn des Heuschrecken-Investors zu imponieren. Die blonde Yvonne in blauer Arbeitshose, einen Träger meist neckisch nach unten gerutscht, erinnert eher an Paris Hilton auf dem Bauernhof als an eine kämpferische Frau.
Das Konzept der Autoren Jan Friedhoff und Dirk Eisfeld habe im Vergleich zu den anderen etwa 70 eingereichten Drehbüchern sofort überzeugt, verteidigt Toennissen die Serie. „Es ist sehr emotional und weiblich geschrieben. Wir wollten ein sehr geerdetes Format mit einer gelungenen Prise Humor – wir waren wirklich alle begeistert.“ Die Auseinandersetzung mit Frauen in einem männerdominierten Umfeld müsse sein, weil es Realität sei, fügt die Redaktionsleiterin hinzu.
Klingt logisch, fordert aber die Frage heraus: warum so inkonsequent? Und warum so spät? Toennissen weicht auf Nachfrage aus. „Es geht primär um die Herausforderungen einer Schweißerin denn um die einer Frau auf einem Chefsessel.“ Bewusst vermieden worden sei das Thema Frau in der freien Wirtschaft, in technischen Berufen nie. Der ARD dürfte es primär ohnehin um die Verbesserung ihrer Zuschauerzahlen gehen. Seit „Berlin, Berlin“ vor über vier Jahren ist auf dem Sendeplatz um 18.50 Uhr jeder neue Serienversuch gefloppt.
Soll nun also Lilli Lemcke Mädchen ermutigen, technische Berufe und Studienfächer zu stürmen? So platt natürlich nicht, aber „wissenschaftlich ist erwiesen, dass fehlende Rollenvorbilder eine Zugangsbarriere sind“, sagt Marion Esch. „Wir müssen zeigen: Frauen können das auch.“ femtec will „Eine für alle“ wissenschaftlich begleiten.
Nach Angaben der IG Metall arbeiten in Deutschland übrigens 960 Frauen als Schweißerin, macht 1,3 Prozent der Berufsgruppe. Auf Lilli Lemcke ruhen große Erwartungen.