sozialabbau : Mehr Verlierer braucht der Staat
Das soziale Bündnis muss den Hiob für alle spielen. JedeR sei in Zukunft vom Sozialabbau betroffen, sagen die Aktivisten leise, die Gesellschaft werde eine andere. Ihre trüben Vorhersagen verhallen aber auf beinahe privaten Montagsdemos. Tatsächlich befand auch kürzlich Ministerpräsident Peer Steinbrück: Wer sich nicht nützlich macht, hat vom Staat nichts zu erwarten,“ krakeelte der Genosse.
KOMMENTAR VONANNIKA JOERES
Der Staat nimmt nicht mehr länger von der Wirtschaft, um die Menschen zu versorgen. Die Menschen sollen Zeit und Arbeitskraft liefern, um die Wirtschaft zu versorgen. Tarifrecht, Urlaub, Kündigungsschutz werden als törichtes Hindernis für den Kapitalmarkt gesehen. Weniger Geld und weniger Freizeit für mehr Jobs. Würdige werden von unwürdigen Armen getrennt, Kinderlose gegen Kinderreiche ausgespielt. Sehr bedauernswert sind die Opelaner, deren Arbeitsplätze in den bösen Osten wandern, schlecht sind die faulen Jugendlichen ohne Ausbildung, lobenswert die Kinderreichen, egoistisch die rein Berufstätigen.
Niemand möchte zu den angeblich selbst verschuldeten Loosern gehören, und doch wird ihr Kreis immer größer. Das gibt auch dem Protest neue Nahrung. Das Bündnis muss raus aus der Hippie-Ecke und auch die Reichen, BeamtInnen und satten Pensionäre alarmieren. JedeR muss sich als Verlierer fühlen, damit ein neuer Sozialstaat gewonnen werden kann.