: Hartz und herzlos
Geschäftsführer des Beschäftigungsträgers „Hamburger Arbeit“ wehrt sich gegen Vorwürfe und prophezeit für 2005 Chaos bei den Ein-Euro-Jobs
Von Marco Carini
„Gegen anonym geäußerte Vorwürfe kann man sich nicht wehren“, weiß Detlef Scheele. Dem Geschäftsführer des größten Beschäftigungsträgers der Stadt, der „Hamburger Arbeit“ (HAB), haben die von mehreren Ein-Euro-Jobbern geäußerten Anschuldigungen gegen den Umgang der Beschäftigungs-Gesellschaft mit Arbeitssuchenden merklich zugesetzt.
So ganz auf Gegenwehr mag Scheele dann aber doch nicht verzichten. In der Vorbereitungsphase, wie sie etwa in der Eidelstedter HAB-Betriebsstätte jeder zugewiesene Arbeitslose durchlaufen müsse, gehe es erst einmal darum, „die Arbeitsmotivation und Arbeitsfähigkeit“ der Neuankömmlinge zu testen. Dass diese tagelang Teppichreste zerschneiden, Wände immer wieder übermalen und Mauern mörteln müssten, die anschließend wieder eingerissen werden, streitet Scheele nicht ab. „Die Vermittelten müssen üben, um später als Maurer, Anstreicher oder Teppichverleger arbeiten zu können“, betont der HAB-Chef. Und: „Wenn wir alle Trainings-Mauern stehen lassen, sind wir bald eingemauert.“
Dabei gehe es der HAB darum, die Arbeitslosen so schnell wie möglich aus der im Schnitt zweieinhalb Monate dauernden Vorbereitungsphase herauszuholen und ihnen gemeinnützige Ein-Euro-Tätigkeiten anzubieten oder gar in den Arbeitsmarkt zu integrieren: Schließlich wacht die Geld gebende Wirtschaftsbehörde mit Argusaugen über die so genannte Integrationsquote jedes Beschäftigungsträgers.
Doch die 300 freien Arbeitsplätze gemeinnütziger Kooperationspartner könne die HAB gar nicht besetzen. „Viele Langzeitarbeitslose haben die Fähigkeit verloren, den Arbeitsalltag zu meistern“, betont Scheele. Auch die beiden Arbeitssuchenden, die die Presse über den aus ihrer Sicht „menschenunwürdigen Umgang“ der HAB mit Ein-Euro-Jobbern informierten, seien „nicht vermittelbar, da sie in der Vorbereitungsphase mehrfach unentschuldigt nicht erschienen“ seien.
Die wahren Probleme liegen für Scheele aber auf einer anderen Ebene. Weil durch die Ein-Euro-Jobs nur gemeinnützige und zusätzliche, sonst nicht finanzierbare Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen, sei die Vorgabe des Hamburger Senats, im kommenden Jahr 10.000 dieser Jobs zu schaffen, „eine Luftbuchung“. Scheele ahnt: „Wenn diese Kriterien ernst genommen werden, bekommen wir riesige Schwierigkeiten.“
Blieben sie aber unbeachtet, würden zunehmend reguläre Arbeitsplätze durch Billig-Jobs ersetzt, bei denen die Ein-Euro-Jobber nicht einmal über Arbeitsverträge oder rudimentäre Arbeitnehmerrechte verfügen. Auch Bernd Proksch, Amtsleiter der Wirtschaftsbehörde, weiß: „Dass Hartz IV Arbeitsplätze schafft, ist eine Illusion.“
Zudem würden die Fallpauschalen, die die Beschäftigungsträger von der Behörde für jeden zu Betreuenden bekommen, immer weiter abgesenkt. 500 Euro monatlich pro Arbeitssuchenden sind für 2005 im Gespräch, wobei der Monats-„Lohn“ von rund 160 Euro davon noch abgezogen wird. „Die Standards gehen so weiter in den Keller“, prognostiziert Detlef Scheele.
Qualifizierung bleibt da auf der Strecke. Schon heute spricht deshalb die „Sozialpolitische Opposition“ davon, die Beschäftigungsträger würden zu reinen „Verwahranstalten für Erwerbslose“ mutieren, deren Hauptzweck die „Bereinigung der Arbeitslosenstatistik“ sei.
Wenn im kommenden Jahr Erwerbslose unter Androhung der Streichung ihrer Sozialleistungen vermehrt in Ein-Euro-Maßnahmen gezwungen werden, sieht Scheele auf die HAB und andere Beschäftigungsträger „kaum lösbare Probleme zukommen“. Mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht freiwillig einen Ein-Euro-Job annehmen wollen, sei „kaum möglich“.