: Das Weiße-Kittel-Verbot
Mit Knoff Hoff hat das nichts mehr zu tun: Wie die BBC das Wissenschaftsfernsehen mit neuartigem Erzählstil und aufwändigen Computeranimationen revolutioniert hat
Der Durchbruch kam im All: Bei „Planets“, der 1999 ausgestrahlten BBC-Serie über das Sonnensystem, erlebte die Computergrafik ihre erste von vielen TV-Sternstunden. „Erst beim Dreh haben wir wirklich begriffen, dass wir es nicht mehr wie früher mit Modellen zu tun hatten, sondern die Planeten echt aussehen lassen konnten“, sagt John Lynch, Creative Director von BBC Science. Im selben Jahr folgte – ebenfalls von Lynch produziert – „Walking with Dinosaurs“ und läutete endgültig weltweit eine neue Ära der Wissenschaftsdokumentation ein.
„Wissenschaftsfernsehen war doch früher wie Schulunterricht“, sagt Lynch: „Mann im weißen Kittel? Aha, Chemie.“ Und wie mieser Chemie-Unterricht schreckten solche Programme das breite Publikum eher ab. „Wir machen Fernsehen“, sagt Lynch. „Fernsehen ist Unterhaltung, ist emotional und braucht gute Geschichten – das gilt zu hundert Prozent auch für Science-TV“: Das so genannte „narration led drama“, also eine von einem Erzähler vorangetriebene Spielhandlung, hat sich mittlerweile bei der BBC als feste Doku-Stilform etabliert. Streng wissenschaftlich, versteht sich – „Wir würden nie die Fakten verändern, um die Story noch besser zu machen.“
Lynch, der nach einem Psychologiestudium 1976 zu BBC Science kam, will Menschen „für Wissenschaft und Technik begeistern“. Ihm geht es darum, den deduktiven Prozess sichtbar zu machen, der Wissen erst schafft. Die Zuschauer sollen miterleben, wie Wissen entsteht, wie Forscher zu ihren Ergebnissen kommen. Und wenn diese Ergebnisse voneinander abweichen? „Wir sagen klar: Wir sehen das so und so. Natürlich verwirren wir unsere Zuschauer bei einer Super-Doku im Hauptprogramm nicht mit widersprüchlichen Theorien. Dafür gibt es aber zusätzliche Sendungen, wo das alles auf den Tisch kommt.“
Die BBC-Science-Programme sind längst Weltmarktführer und haben Etats wie teure TV-Movies. Auch in Deutschland hängen sich alle Sender an den Erfolg der BBC. Koproduzenten sind dabei nicht automatisch ARD und ZDF, die mit ihren hauseigenen Wissenschaft- und Technikformaten ohnehin nicht gerade die Nase vorn haben, sondern auch die Privaten wie RTL und ProSieben. Zusammen mit dem NDR produziert die BBC nun aktuell „Space Race“. Die Doku-Drama-Serie soll 2005 laufen und spielt auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, als die USA und die UdSSR sich ihren Wettlauf zum Mond lieferten.
Was also umfasst dieser schwer übersetzende Begriff Science eigentlich? „Alles, was vor dem heutigen Tag geschah, ist Geschichte“, sagt John Lynch. „Alles, was jemals geschehen ist, ist Science.“ STEFFEN GRIMBERG