Regierung will „sinnvolle“ Interviewdebatte

Acht Zeitungen schließen sich der taz-Kampagne zur Autorisierung an – und erste Repressionen gibt es auch schon

BERLIN taz ■ Einen Tag nachdem die taz auf ihrer Titelseite aus Protest ein teilweise geschwärztes Interview mit SPD-Generalsekretär Olaf Scholz veröffentlichte, hat eine bundesweite Debatte über den zunehmenden Missbrauch von Interviews durch Politiker begonnen. Acht deutsche Tageszeitungen folgten der taz-Initiative am Freitag mit eigenen Beiträgen, Nachrichtenagenturen und Rundfunksender berichteten im Laufe des Tages. Die Redaktionen machen damit auf die zunehmenden Versuche von Interviewpartnern aufmerksam, vor der Drucklegung umfängliche Änderungen an den eigenen Aussagen vorzunehmen oder Fragen zu zensieren.

Regierungssprecher Béla Anda sprach gestern von einer „sinnvollen Debatte für beide Seiten“, also Medien und Politiker. Allerdings gab es als Reaktion auf die Aktion auch erste Pressionen von Regierungsseite. So berichtete Financial-Times-Deutschland-Chefredakteur Christoph Keese von einem Brief des Sprechers von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, der juristische Schritte prüfe. Die FTD hatte Änderungen an einem Interview der Ministerin thematisiert. Keese verteidigte den Schritt gestern: „Wir halten die Tatsache, dass Politiker versuchen, ihre Aussagen im Nachhinein abzuschwächen oder ins Gegenteil zu verkehren, für so gravierend, dass wir uns entschieden haben, einen Ausriss des Interviews im Faksimile abzudrucken.“ Dort sind umfängliche Streichungen und Ergänzungen erkennbar. Schmidts Sprecher warnte in seinem Brief, die Veröffentlichung „zerstört das Vertrauen zwischen der Gesundheitsministerin und der FTD“.

Anda rechtfertigte die bisherige Praxis der Autorisierung. Es sei auch für Journalisten hilfreich, wenn ein Gespräch im Nachhinein gekürzt und verdichtet werde, meinte der Regierungssprecher. Dagegen kritisierte die Direktorin der Hamburger Akademie für Publizistik, Annette Hillebrand: „Die Unsitte ist längst zur Sitte geworden.“ Gerade junge Journalisten würden oft nichts anderes kennen.

An der Aktion waren neben der FTD Die Welt, FAZ, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung und Tagesspiegel beteiligt. PATRIK SCHWARZ

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