: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Warum es mal eine gute Idee wäre, Politiker-Interviews so zu drucken, wie sie geführt wurden. Und warum man über den Prozess gegen den Kannibalen in Rotenburg besser nichts liest
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die geringe Bereitschaft der journalistischen Zunft, die taz-Initiative zum Interview-Unwesen mit Selbstkritik zu adeln. Ellenlange Fragen eindampfen und knackiger formulieren, Passagen rauslassen, in denen der Interviewte wider Erwarten gut aussieht – wer hat denn angefangen mit dem nachträglichen Schönschreiben?
Was wird besser in dieser?
Das Nachdieseln dieser auch aus Sicht des Regierungssprechers „sinnvollen Debatte“ sollte etwas Konkretes gebären. Ich schlage mal eine Spielform „Gekauft-wie-besehen-Interview“ vor: Man vereinbart vor dem Gespräch, ein Band mitlaufen zu lassen und, was immer darauf sein wird, wortlautgetreu zu drucken. Die Journalisten werden viel präziser fragen müssen, interessante atmosphärische Satzruinen werden stehen bleiben, und das Interview wird wesentlich schneller gemacht sein. Das Publikum wird einen neuen Grad von Authentizität lesen.
Wird Florian Gerster Ende der Woche noch Chef der Bundesanstalt für Arbeit sein? Und – müsste er fliegen oder nicht?
Gersters Vorgänger Jagoda sagt offen, dass Steuerreform und Agenda Konjunktur bringen können – diese aber an den Arbeitslosen vorbeigehen dürfte. Wagt so ein Widerwort der deutlich geschwächte Gerster? Und, da er es nicht wagt, ist der dann nicht eine Topbesetzung? Gersters Rauswurf kann die Bundesregierung also, mit etwas Glück, aufsparen: bis zu den nächsthöheren Arbeitslosenzahlen. Floriansprinzip eben.
Die CDU tagt heute in Leipzig und scheint ein Identitätsproblem zu bekommen. Früher war rechts, dass man gar nicht drüber reden musste, was rechts ist. Das ist vorbei. Oder?
Angela Merkel fährt einen riskanten Slalom: Aus der unappetitlichen Wutwelle zum Hohmann-Rauswurf rettet sie sich, indem sie eine grundsätzliche Debatte über das vaterländische Selbstverständnis der Union verhieß. Die aber nun soll, da sie den Parteitag zu entstellen taugt, im Wesentlichen aus einer Rede bestehen – von Angela Merkel.
Gibt es den ruhmreichen Arbeitnehmerflügel der Union eigentlich noch? Oder ist er stillschweigend im Museum für deutsche Geschichte endgelagert worden?
Mit Hermann-Josef Arentz präsidiert ein Landtagsabgeordneter – Vorgänger wie Eppelmann und Fink waren wenigstens noch MdB, Blüm wohl der letzte einflussreiche CDA-Chef. Die prägende katholische Soziallehre exiliert in der CSU, und Merkels herkunftsbedingter Hass auf alles staatliche Bevatern deutet keine Besserung an.
Am Mittwoch beginnt in Kassel der Prozess gegen den „Kannibalen von Rotenburg“. Der Stern hat sich mit seinem Star-Monster-Interview schon eine Rüge vom Presserat abgeholt. Wird es so was noch mal geben?
Ja. Vom „Schweigen der Lämmer“ wurden auch Fortsetzungen und Derivate en masse hergestellt, Hannibal Lector wurde Star. Die Medien werden sich das Geschäft mit dieser Story nicht verderben lassen, nur weil sie nicht erfunden ist.
Soll man als aufgeklärter Zeitgenosse die hunderte von Texten, die in Spiegel, Bild, Focus etc. so sicher wie das Amen in der Kirche erscheinen werden, lieber überblättern?
Auch klar ja. Wobei das „Amen in der Kirche“ trefflich auf jene abgedrehten Freaks verweist, die „seinen Leib und sein Blut“ zu sich nehmen möchten.
Kann man überhaupt über diesen Fall schreiben, ohne obszön zu werden?
Es gab sogar mal ein brillantes TV-Interview mit einem Kannibalen; bei Premieres „0137“ von Roger Willemsen. Und jetzt alle : „Ick heff mol en Hamburger Talkmaster sehn, to my …“ Das Obszöne am Thema Kannibalismus muss nicht die differenzierte Betrachtung sein, sondern das notdürftige Bemänteln voyeuristischer Angebote.
Apropos obszön: Heute wird der Playboy 50 Jahre alt.
Kauf ich, sobald ich wissen möchte, wie viel Viagra in den Kofferraum eines 7er BMW passt.
Und was macht Borussia Dortmund?
Stellt einen neuen Ligarekord auf in „Wir diskutieren alles und jeden außer dem Trainer“. Der schwarzgelbe Schlechte-Laune-Beauftragte Matthias Sammer genießt eine Mischung aus vorreligiösem Nimbus und Welpenschutz, die eine in der Liga einmalige Trainertreue ermöglicht. Was ja immerhin mal etwas Neues ist.
FRAGEN: STEFAN REINECKE