BEIM TREFFEN DER AUSSENMINISTER ZEIGT DIE EU, WIE SIE KÜNFTIG ARBEITET
: Kerneuropa ist jetzt Praxis

Beim Treffen der Außenminister in Neapel ist zum ersten Mal deutlich geworden, wie die Europäische Union mit ihren 25 Mitgliedern künftig funktionieren wird. Das Projekt Kerneuropa hat das Stadium der Theorie verlassen, jetzt gibt es klare Regeln, wie diese „strukturierte Zusammenarbeit“ zwischen besonders integrationswilligen Staaten funktionieren soll.

Irakkrieg und EU-Erweiterung sind die Gründe dafür, dass Kerneuropa ausgerechnet im militärischen Bereich konkret wird. Beides hat der EU die Schwächen aufgezeigt, die jetzt behoben werden sollen. Die militärische Kapazität soll gestärkt, die Entscheidungsfindung beschleunigt werden. Beides hat der Diskussion über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein für EU-Verhältnisse ungewöhnliches Tempo gegeben. Noch beim EU-Gipfel in Nizza im Dezember 2002 wollten die Briten nichts von einer verstärkten Zusammenarbeit bei der Verteidigungspolitik wissen. In zwei Wochen werden die Regierungschefs eine eigene EU-Sicherheitsstrategie verabschieden, die zwar stark auf zivile Krisenprävention setzt, die militärische aber nicht ausschließt.

Die Entscheidung von Neapel ist richtig. Die militärische Vielfalt in der EU – schließlich gehören nicht alle der Nato an – ist so groß, dass die gemeinsame Verteidigungspolitik nie wirklich vorangekommen wäre. Richtig ist die Entscheidung, dass der Ministerrat mit Mehrheit eine strukturierte Zusammenarbeit absegnen muss. So sind Alleingänge einiger weniger ebenso unmöglich wie die Blockade der Kooperation. Entscheidend aber ist, dass die Zussammenarbeit im Rahmen der EU stattfindet. Die Gefahr, dass sich Bündnisse jenseits der Union bilden und die EU so langsam, aber stetig zerfällt, ist erst einmal gebannt.

Mit der Entscheidung von Neapel macht die EU einen weiteren Schritt hin zur Militärmacht. Wer dies ablehnt, muss die Frage beantworten, ob die Europäer die Friedenssicherung in Bosnien und dem Kosovo weiter den USA überlassen wollen. Und die Frage, ob sicherheitspolitische Entscheidungen im Rahmen einer EU, die mehr als viele Mitgliedsstaaten eine Tradition ziviler Krisenprävention hat, nicht ganz gut aufgehoben sind. Einer EU zudem, die gerade dabei ist, im Rahmen einer Verfassungsdebatte die umfassendste Demokratisierung ihrer Geschichte durchzuführen. Zwei Fragen müssen von den Außenministern aber noch geklärt werden: Welches Mitspracherecht hat das europäische Parlament bei der Verteidigungspolitik noch, und wie soll es die Zusammenarbeit einiger weniger Staaten kontrollieren. SABINE HERRE