: Ärzte zum Coach
Mehr unternehmerisches Denken fordert der ehemalige Bremer Staatsrat Gerd Markus
bremen taz ■ Der Trend hält an: die Bremer gehen seltener zum Arzt. Gerd Markus, Bremer Ex-Staatsrat und Unternehmensberater, sieht hier seine Chance: Er will Ärzte zu besseren Unternehmern machen – mit Software und Kommunikationstraining.
Im zweiten Quartal 2004 gingen im Durchschnitt rund sieben Prozent weniger Patienten zum Arzt als im Vorjahr. Und auch für das dritte Quartal wird ein Minus erwartet. „Das wird in Zukunft so bleiben, die Zahlen pendeln sich auf dem jetzigen Niveau ein. Die Praxisgebühr greift“, sagt Oltmann Willers von der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen (KV).
Facharztpraxen seien mit Umsatzrückgängen besonders stark betroffen, erklärt Andreas Umlandt, Bremer Gynäkologe und damit selbst Facharzt. Er ist Mitglied des Expertennetzwerkes, das der Bremer Hafen-Staatsrat a.D. Gerd Markus gegründet hat. Die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung bescheinigen den Facharztpraxen Rückgänge von bis zu 16 Prozent.
Markus vermutet neben Praxisgebühr und Patientenrückgang jedoch weitere Ursachen für die wirtschaftliche Schieflagen der Praxen. „Es fehlt den Ärzten an unternehmerischem Denken“, sagt Markus. Er lehrte auch Ökonomie an der Hochschule Bremen. Mit seinem Expertennetzwerk, dem auch seine Tochter, eine Kommunikationstrainerin angehört, will er Arztstuben fit machen für den Wettbewerb. „Es gibt in den Praxen keine Rentabilitätskontrollen wie in anderen Wirtschaftszweigen“, so Markus. Sprich: was den Patienten an Dienstleistungen durch Arzt und Arzthelferin zugute kommt und wieviel das letztendlich einbringt, unterliegt in der Realität keiner ständigen Kontrolle. Laufen die Kosten aus dem Ruder, könne das erst bei der Abrechnung am Jahresende ermittelt werden. „Viel zu spät“, meint der Ökonom. Helfen könne sein Softwaretool für den Gesundheitssektor. Zu finden ist es bislang noch in keiner Bremer Arztpraxis – es sei aber schon in Wiener Arztpraxen zum Einsatz gekommen, sagt Markus. Die Österreichische Ärztekammer vertreibe es.
„Liquiditätsengpässe sind klar existent, Insolvenzen werden kommen“, sagt der Bremer Gynäkologe Umlandt. Er ist im Expertenteam zuständig für die Qualitätssicherung. Laut Markus ist es dabei jedoch kein Zeichen mangelnder ärztlicher Qualität, wenn eine Praxis schließen muss.
Auf Patienten als Messinstrument könne man sich nicht verlassen. Im Gegenteil, „die Ärzte können tolle Leistungen bringen, gehen aber trotzdem pleite, weil sie eben zu viel aufwenden für den Einzelnen.“ Zu sagen, die Patienten blieben weg, weil der Arzt schlecht ist, sei zu einfach gedacht. Auch eine verbesserte Kommunikation mit den Kunden – den Patienten – sei ein Ziel der Beratung.
Noch immer sorge die Praxisgebühr für Diskussionen, der erhöhte Verwaltungsaufwand führe zu Schlangen in den Praxen und von entspannter Atmosphäre könne keine Rede mehr sein. Innerhalb vieler Praxisteams müsse die Fähigkeit zur Aussprache verbessert werden.
Der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen liegen noch keine konkreten Zahlen zu Praxisschließungen oder Entlassungen vor. „Ich will aber nicht ausschließen, dass Praxen dicht machen“, sagt der Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung, Günter Scherer.
Sabine Henßen